Schwerelos
zweihundertvierzehn Euro.»
Die Kasse piept.
Mein Handy klingelt.
«Oh, Sie sind’s. Das ist jetzt gerade wirklich sehr ungünstig, Herr Conradi», flüstere ich unter meinem Kosmetiktuch. «Können Sie sich ausnahmsweise kurz fassen?»
Nicht zu glauben, dass ich meine Karriere aufs Spiel setze und Gefahr laufe, meinen besten und überempfindlichstenAutor zu verprellen, bloß damit mich Theo Bertram nicht ungeschminkt und mit Klammern im Haar sieht. Ich denke allerdings, die meisten Frauen würden Verständnis für mich aufbringen.
«Na dann, leben Sie wohl, Marie. War das kurz genug?»
Aufgelegt.
«Der Fernsehtyp ist weg.»
Frau Chanel nimmt mir das Tuch vom Gesicht. Mein Angstschweiß und die belebende Lotion sind zu einem schmierigen, glänzenden Film geworden.
«Entschuldigen Sie, habe ich meinen Schirm hier vergessen? Oh, Marie! Ich hätte Sie fast nicht erkannt!»
«Hallo, Theo.»
Das Schicksal meint es derzeit wirklich nicht gut mit mir.
Ich habe immer angenommen, dass ich eher eine Frau sei, die ihre Probleme mit sich selber ausmacht. Jetzt denke ich, dass diese Annahme falsch war.
Es lag wahrscheinlich einfach daran, dass ich zu meinen Zahnspangenzeiten keine Freunde hatte, mit denen ich meine Probleme besprechen konnte. Und später hatte ich einfach nicht genug Probleme. Und vor allem keine interessanten.
Jetzt habe ich beides: gute Freunde und gute Probleme.
Leonie liegt auf dem Sofa, hält sich den dicken Bauch vor Lachen, und ich bin schon ganz in Sorge, dass das Baby womöglich ein Schleudertrauma erleidet. Regina lauscht meinen Erzählungen so fasziniert, dass sie tatsächlich reflexartig ein paar Erdnussflips isst. Erdal klammert sich an sein herzförmiges Sofakissen und starrt mich erschüttert an: «Erhat dich ungeschminkt gesehen? Mein Gott, das tut mir so leid.»
«Ein bisschen viel Realität für den Anfang», sagt Regina. «Mein Geliebter hat mich in drei Jahren noch nicht mal ohne Foundation und Wimperntusche gesehen.»
«Du hast seit drei Jahren einen Geliebten?» Dafür, dass Erdal selbst keine treue Seele ist, wirkt er verblüffend empört. «Also, das könnte ich ja nicht, zwei Menschen lieben. Mein Herz kann ich immer nur einem schenken, nicht wahr, Karstipuschel?»
«Ich empfinde es als absoluten Luxus, zwei Männer zu haben», sagt Regina.
«Ich empfinde es als absoluten Luxus, einen Mann zu haben, der mir reicht.»
Wir alle schauen ergriffen Karsten an, der sich normalerweise bei solchen Diskussionen überhaupt nicht äußert, und wenn, dann nicht so emotional.
Erdal und Leonie steigen Tränen der Rührung in die Augen, Regina nimmt noch eine Handvoll Erdnussflips, und ich überlege, wer von beiden denn nun recht hat.
«Kann einem ein Mann überhaupt genug sein, ohne dass man ungebührlich viele Abstriche hinnehmen muss?», frage ich. «Und was ist, wenn dir der, den du hast, nicht genug ist: Ist er dann automatisch der Falsche?»
«Wenn einer nicht reicht, braucht man eben zwei», sagt Regina.
«Wenn einer nicht reicht, braucht man einen anderen», sagt Karsten.
«Meint ihr, ich soll Frank heiraten?»
«Die Frage ist die Antwort», sagt Erdal, «und die heißt: nein. Zweifel sind ein schlechtes Fundament für eine Ehe.»
«Träume sind ein noch viel schlechteres Fundament für eine Ehe», sagt Regina. «Du weißt, was du von Frank erwarten kannst und was nicht. Du wirst nicht enttäuscht werden.»
«Weil du schon enttäuscht bist.» Karstens Satz führt zu einem ungemütlichen Schweigen.
«Warst du jetzt eigentlich mit Theo Bertram auf dem Filmball, oder hat er die Verabredung abgesagt, nachdem er wusste, wie du ungeschminkt aussiehst?», fragte Leonie.
«Doch, ich war auf dem Filmball. Und ich muss sagen, dass Frau Chanel ganze Arbeit geleistet hatte. Ich war wirklich sehr gut geschminkt, und sie hatte sogar meine Haare einigermaßen in den Griff bekommen.»
«Unvorstellbar, wenn man dich jetzt so sieht.»
«Erdal, bitte, jetzt lass sie doch erzählen!»
«Natürlich, entschuldige, Leonie Liebes.»
«Ich bin sogar das erste Mal in meinem Leben im Blitzlichtgewitter über einen roten Teppich gelaufen – allerdings allein, denn Herr Theo Bertram konnte sich ja schlecht mit mir zusammen fotografieren lassen. Ich kam mir total billig vor, wie eine Promi-Nutte, mit der man sich besser nicht öffentlich zeigt. Aber man soll sich neuen Erfahrungen ja nicht verschließen. Wann fühlt man sich schon mal wie eine Promi-Nutte?»
«Jetzt siehst du mal, wie
Weitere Kostenlose Bücher