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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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ich. »Ganz bestimmt ist sie weggelaufen. Sie muss genau gewusst haben, dass ich früher oder später entdecken würde, welche Machenschaften sie betrieben hat, um mich einzuschüchtern, und dass sie dann den Preis dafür bezahlen müsste.«
    Ich hatte Liam den Vogelfuß gezeigt. Er hatte mir bestätigt, dass er von einem Raben stammte. Ich hegte eine logisch nicht erklärbare Angst vor diesen Vögeln. Unglücksvögel. Todesboten. Ich hatte den unseligen Gegenstand ins Feuer geworfen und zugesehen, wie er verbrannte. Dann hatte ich die Asche zum Fluss
getragen und sie hineingestreut. Um mich zu vergewissern, dass sie nicht durch Zauberei wieder aus den Stromschnellen aufsteigen würde, hatte ich anschließend, den Blick auf das strudelnde Wasser gerichtet, lange am Ufer gewartet. Ich hatte mich entsetzlich töricht gefühlt, doch dieses Bedürfnis war stärker gewesen als ich.
    Liam glaubte nicht an Zauberkräfte. Alles Aberglaube, meinte er, dasselbe wie die Bauernregeln, nach denen die Landleute ihren Alltag richteten. Die Menschen schufen sich ihr Unglück selbst, versuchten dann aber die Schuld einem Gegenstand oder, noch besser, einer Person zuzuschieben, damit sie nicht die Verantwortung dafür übernehmen mussten.
    Ich sah mich außerhalb der Höhle um und tastete mich in der Hoffnung, irgendeinen Hinweis zu finden, durch den Nebel. Die Männer hatten sich zusammengeschart und diskutierten. Ich tat einige Schritte und fand mich am Rand eines steilen Felssturzes wieder. Zwei große Kiesel, die ich losgetreten hatte, stürzten ins Leere und verschwanden in dem Nebelteppich. Von einem leichten Schwindelgefühl ergriffen, wich ich einen Schritt zurück. Dabei erhaschte mein Blick etwas Farbiges. Einen roten Punkt. Vorsichtig prüfte ich die Felskante auf ihre Festigkeit und wagte mich ein Stück vor. Tief unten flatterte an einem Ast ein Stofffetzen.
    »Liam!«
    Mein Schrei rief ein Echo hervor. Ein ungutes Gefühl sagte mir, dass diese Entdeckung kein gutes Zeichen war. Eine Hand zog mich sanft nach hinten. Liam beugte sich über den Abgrund. Mir blieb fast das Herz stehen, als ich Isaak hinter ihm auftauchen sah.
    Isaak wandte sich zu mir und taxierte mich verächtlich. Sein Mundwinkel zuckte kaum wahrnehmbar. Mir wurde klar, dass ihm einen Moment lang die Idee gekommen war, Liam zu stoßen. Dieser Mann war gefährlich. Wortlos richtete Liam sich auf. Auch er hatte den Hauch der Gefahr gespürt und instinktiv die Hand an das Heft seines Dolchs gelegt. Doch er hatte ihn nicht ziehen müssen. Dieses Mal nicht.
    Die Männer brauchten fast eine halbe Stunde, um das rote
Stoffstück zu erreichen. Als es nach oben gebracht wurde, riss ich entsetzt die Augen auf, als ich feststellte, dass es mit Blut getränkt war. Das leuchtende Rot wies darauf hin, dass es noch frisch war. Diese Entdeckung machte die Vermutung, sie könne geflohen sein, endgültig zunichte. Simon hatte Spuren auf dem Boden entdeckt, in der Nähe der Stelle, wo er den Stoff, bei dem es sich tatsächlich um ein Kopftuch handelte, gefunden hatte. Die Erde war aufgewühlt gewesen, als hätte jemand einen schweren Gegenstand dort entlang geschleift. Jetzt hatten wir eine Spur, aber keine besonders beruhigende.
    Die Blutspuren führten uns bis zum Ufer des Loch. Sie verteilten sich entlang eines wenig begangenen Pfades, der von Dornengestrüpp zugewuchert war, und wirkten, als hätte sie jemand bewusst hinterlassen, damit wir sie sahen. Hier prangte ein Handabdruck an einem weißen Birkenstamm, und dort ein anderer auf einem Felsvorsprung aus grauem Stein. Ich bekam Gänsehaut. Die Menge an Blut, die sich auf dem Weg fand, war beeindruckend. An zahlreichen Stellen auf dem Boden waren große, noch flüssige Lachen zu entdecken. Ich erschauerte vor Entsetzen. Wenn all dieses Blut von Meghan stammte, dann würden wir sie mit Sicherheit nicht lebend wiederfinden. Außerdem war damit die Vermutung ausgeräumt, sie könnte sich etwas angetan haben. Hier handelte es sich um Mord, das war deutlich zu erkennen.
    Ein frischer Wind blähte meine Röcke. Ich zitterte. Das ruhige Wasser des Loch allerdings kräuselte sich nur leicht. Über einem kleinen Fischerboot, das plötzlich aus dem Nebel auftauchte, schrien die Möwen. Die Fischer an Bord erkannten die Männer der Gruppe und winkten ihnen. Sie gehörten zum Cameron-Clan aus Glen Nevis, erklärte mir Liam. Ihr Gebiet grenzte an das unsere. Die Beziehungen waren gut, und man tolerierte es, wenn man die Nachbarn

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