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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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fast das Herz. Immer, wenn ich sehr niedergedrückt war, sagte ich mir, dass er sich der schweren Bürde, welche die Erziehung eines jungen Mädchens von siebzehn Jahren darstellt, geschickt entledigt hatte. Doch dann hielt ich mir wieder vor Augen, dass er nach dem Tod seiner Frau keine andere Wahl gehabt hatte. Tante Nellie war in Irland geblieben. Sie hatte sich nicht entschließen können, ihr Land zu verlassen, dieses heilige Land, das von Feen, kleinen listigen Kobolden und dem Volk der Erdmutter Dana bewohnt wird. Im Grunde meines Herzens war ich meinem Vater schrecklich böse. Die Wahrheit war, dass ich mich verlassen fühlte, verraten. Aber das brauchte Liam nicht zu wissen.
    »Was ich da gestern Abend gesehen habe, Mistress Caitlin, war das das erste Mal? Ich meine die Ohrfeige.«
    Ich blieb stumm.
    »Wenn ich recht verstehe, habt Ihr diesen Mann getötet, weil er Euch an diesem Abend zum ersten Mal geschlagen hat?«
    »Ich brauche meine Handlungen nicht vor Euch zu rechtfertigen. Gerade nicht vor Euch!«
    Colin fuhr wie von der Tarantel gestochen hoch.
    »Ihr habt Lord Dunning getötet?«, rief er aus.
    Ich zügelte Bonnie, so dass sie stehen blieb, und sah den beiden ins Gesicht.
    »Ja, ich habe ihn getötet!«, stieß ich hervor. »Seht Ihr dieses Blut? Natürlich, es ist schließlich schwer zu übersehen! Nun gut, es ist seines, das Blut dieses dreckigen Schweins! Nun, was sagt Ihr jetzt? Euch dürfte das doch nicht über Gebühr erschrecken.
Für euch Highlander ist es doch eine einfache Sache, einem Mann so mir nichts, dir nichts die Kehle durchzuschneiden!«
    Die beiden Brüder tauschten einen Blick und zuckten die Achseln. Die anderen Männer hatten angehalten und musterten mich staunend. Ich biss die Zähne zusammen, kämpfte gegen die Tränen und schickte mich an, mein Pferd zu wenden. Wenn ich es recht bedachte, würden die Männer auch ohne mich zurechtkommen. Ich war seelisch und körperlich erschöpft und brauchte eine ordentliche Mahlzeit und ein gutes Bett. Ich hatte keine Lust, mich zu rechtfertigen, und noch weniger, Unbekannten meine widerwärtige Mordgeschichte zu erzählen. Und vor allem musste ich vergessen...
    Liam hielt Bonnie mit festem Griff am Zaum fest. Er sagte kein Wort, sondern betrachtete mich nur mit einem eigenartigen Blick, was meine Verlegenheit noch vergrößerte. Schließlich ließ er langsam mein Reittier los.
    »Ich schwöre Euch, dass Ihr in diesem Teil des Landes nicht weit kommen werdet, allein und mit der Garde auf den Fersen«, erklärte er mir ernst.
    Unentschlossen bedachte ich sie alle mit einem bösen Blick. Er hatte sicherlich Recht, aber auf der anderen Seite, wer garantierte mir, dass die Männer mich beschützen würden? Dass sie unser Abkommen einhielten? Die Pferde schnaubten ungeduldig; sie wollten weiter. Ich musste also das kleinere von zwei Übeln wählen. Zumindest hoffte ich, dass es das kleinere war. Ich ließ Bonnie weitergehen.
    Kein weiteres Wort fiel. Colin warf mir verstohlene Blick zu, und Liam konzentrierte sich auf die Straße. Ich schloss die Augen und ließ Bonnie ihren Willen. Schweigend ritten wir noch einige Meilen. Auf der Suche nach einem kleinen Trost wühlte ich durch meine Rocktasche. Sie enthielt mein ganzes Leben. Ich betastete den Inhalt, um in Gedanken eine rasche Bestandsaufnahme anzustellen. Mein gesamter Besitz hätte nicht einmal gereicht, um ein Bündel zu füllen. Da waren nur das kleine Stück Seife, mein von Tante Nellie besticktes Taschentuch, ein kleines Nähetui in einer Hülle aus Ziegenleder, ein alter Schildpattkamm, dem mehrere Zinken fehlten, und ein ziemlich zerbröselter Weißdornzweig,
der angeblich Böses fernhielt. So langsam begann ich allerdings an seiner Wirkung zu zweifeln. Außerdem besaß ich noch Mamas Brosche. Mit den Fingerspitzen strich ich darüber. Ich kannte das herrliche, kompliziert ineinander verschlungene Drachenmotiv, das keltischer Herkunft war, auswendig. Mein Vater hatte es selbst erdacht und meiner Mutter das Schmuckstück zur Hochzeit geschenkt, und nach Mutters Tod hatte er mir die Brosche gegeben. Das war alles, was mir von ihr geblieben war und mein ganzer Besitz.
    Die gleichmäßigen Bewegungen meiner Stute wiegten mich hin und her, und ich spürte eine gewisse Mattigkeit in mir aufsteigen. Das Klappern der Hufe auf der Straße hallte in meinem Kopf wider wie eine monotone Melodie. Meine Augen waren schwer vor Müdigkeit und schlossen sich wie von selbst. Doch gerade als ich in

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