Schwert und Laute
Bergen ist etwas, das ich nirgendwo anders finde.«
»Hmm... Wahrscheinlich bin ich deswegen nach dem Massaker nicht mit Alasdair nach Keppoch gegangen. Irgendetwas zog mich hierher... Ich weiß es nicht, Geister vielleicht...«
Ich erschauerte. In dieser Nacht würde sich der Schleier heben, der das Totenreich von der Welt der Lebenden trennte. Umherirrende Seelen würden zurückkehren und uns heimsuchen... Ich wusste, dass Liam seine eigenen Gespenster hatte. Auch ich fühlte mich von einer Erscheinung verfolgt, aber ich war nicht
besonders begierig darauf, sie wiederzusehen. Seit Liam das Pergament mit dem Zauberspruch verbrannt hatte, fühlte ich mich ruhiger, und es hatte keine ungewöhnlichen Vorfälle mehr gegeben. Die Augen, die mir überallhin gefolgt waren, schienen sich endlich geschlossen zu haben.
Um den Fluch endgültig zu bannen, hatte ich mich an Effie gewandt. Ich hatte ihr den Inhalt der Flasche, die Liam gefunden hatte, gezeigt. Vorsichtig hatte sie die Gegenstände untersucht und mich gebeten, am nächsten Tag wiederzukommen. Sie hatte mir eine zweite Flasche zurechtgemacht, die ich an genau den selben Platz legen sollte, an dem die erste gesteckt hatte. Effie hatte keinerlei Erklärungen abgegeben, und ich hatte nicht gewagt, ihr Fragen zu stellen und erst recht nicht, die neue Mischung genauer anzusehen, denn ich hatte gefürchtet, sonst den Gegenzauber zu schwächen.
»Heute Nacht haben wir Samhain; also sprich nicht von Geistern, da bekomme ich Gänsehaut.«
»Wieso denn?«, entgegnete er. »Sie sind überall um uns herum, wir können sie nicht ignorieren.«
»Ich weiß«, meinte ich seufzend. »Das macht mir ja so Angst. Ich habe oft das Gefühl, ihre Anwesenheit zu spüren. Dann läuft es mir wie eine kalte Welle über den Rücken.«
»Die Geister sind nicht böse. Sie wollen uns nur mitteilen, dass sie immer da sind, auch wenn wir sie nicht sehen können.«
Ich war nicht wirklich überzeugt.
Er legte die Hand auf meinen Leib, der sich jetzt deutlich rundete. Unwillkürlich musste ich an Stephen denken. Wer ihn wohl an meiner Stelle umarmte und ihm die Liebe einer Mutter schenkte? Tief bedrückt stieß ich einen Seufzer aus. Liam zog mich fester an sich. Ich hätte mir so sehr gewünscht, ihm von diesem Kind erzählen zu können, das ich niemals kennen lernen würde, um diese schwere Last mit ihm zu teilen. Doch zugleich hatte ich furchtbare Angst davor, dass er es erfuhr. Würde er mich verurteilen? Würde er mir böse sein, weil ich ihm Stephens Existenz verschwiegen hatte? Mein Geheimnis nagte an mir und vergällte mir die Freude darüber, dass ich neues Leben in mir trug.
Und noch ein weiterer Gedanke lag mir auf der Seele und warf eine Unzahl von Fragen auf, die mir ständig im Kopf herumgingen, als wären meine unaufhörlichen Stimmungsschwankungen noch nicht genug. Immer wieder beobachtete ich Liam, um festzustellen, ob er andere Frauen ansah, worüber er allerdings nur lächelte. Und ganz anders als während meiner ersten Schwangerschaft machte ich mir Sorgen wegen meiner üppigeren Formen. Liam dagegen schien nicht besonders darauf zu achten, wenngleich er behauptete, es gefalle ihm, dass ich ein wenig mehr »Fleisch auf den Knochen« hatte.
Auch mit Gedanken über die Frauen, mit denen er früher zusammen gewesen war, machte ich mir das Leben schwer. Anna, Meghan und die, von denen er mir nie erzählt hatte. Das war albern, aber was konnte ich dagegen tun? Ich zögerte, bevor ich weitersprach.
»Denkst du oft an sie?«
»An wen?«
»Anna.«
»Manchmal.«
»Mit ihrem honigblonden Haar muss sie sehr schön gewesen sein...«
»Ja.«
Er drehte mich so, dass ich ihn anschauen musste, und sah mich verblüfft an.
»Warum fängst du jetzt davon an?«
»Ich weiß es nicht. Oder... doch.«
Unsicher unterbrach ich mich.
»Da ist etwas, das mir seit einiger Zeit nicht aus dem Kopf geht...«
»Und das wäre?«
»Ich frage mich, ob... ob es mit ihr anders für dich war.«
»Was meinst du?«
Er zog die Augen zusammen und betrachtete mich forschend.
»Du weißt genau, was ich meine, Liam... Wenn wir... zusammen liegen...«
An den letzten Worten erstickte ich fast und wandte mich
beschämt ab. Doch Liam legte die Hand unter mein Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. Er lächelte verhalten.
»Du stellst aber wirklich komische Fragen, a ghràidh.«
»Ich hätte gar nicht davon anfangen sollen«, sagte ich und wich seinem Blick aus.
»Dazu ist es jetzt zu spät. Sag mir,
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