Schwert und Laute
alle waren Abkömmlinge von Gaodhal 21 , der in der Nacht der Zeiten über dieses Land gewandert war. Noch heute zeugten die Steinkreise und die Cairns davon. Wir würden uns unsere Seele nicht so einfach von den Eindringlingen stehlen lassen, ohne zuvor zu kämpfen.
In diesem Jahr würde der Clan, der sich langsam von seiner fast völligen Auslöschung erholte, die langen Sommertage wieder in den Hütten aus Torf und Strohlehm auf dem Black Mount in der Nähe von Rannoch Moor verbringen. Am Tag nach Beltane würde man das Vieh dorthin treiben, auf dass es auf den saftigen Weiden, die sich am Fuß des »Großen Schäfers«, des Buachaille Etive Mor, erstreckten, fett wurde, und erst am Tag nach Samhain würden die Bewohner wieder in das Dorf zurückkehren.
Ich liebte dieses Leben und diese Menschen. Mein Platz war jetzt hier. Ich war eine Macdonald und trug einen Macdonald unter dem Herzen, den Sohn eines Macdonald und Abkömmling des großen Somerled, des Herrn der Inseln. Schotten durch ihre Abstammung und Blut, gehörten sie zu diesem Volk stolzer und unabhängiger Männer, nie unterworfen und rebellisch. Sie waren Kriegernaturen und zögerten nicht, für ihren Clan ihr Blut zu vergießen. Liam war so, und ich wusste, dass mein Sohn genauso werden würde.
Ich hob mein Gesicht der Sonne entgegen, um ihre Wärme zu genießen. Ein Steinadler glitt über mich hinweg und beschrieb auf
der Suche nach Beute große Kreise. Das Kind verhielt sich heute ziemlich ruhig. Ein wenig besorgt betastete ich meinen Bauch und spürte zufrieden, wie es sich bewegte.
»So langsam wird es dir zu eng, nicht wahr, no muirnin, mein Liebes?«, flüsterte ich ihm zu und wiegte es sanft.
Ich richtete mich auf, um den Rückweg anzutreten. Nach dem Stand der Sonne zu urteilen, mussten wir eine oder zwei Stunden nach Mittag haben. Liam war vielleicht schon aus Ballachulish zurück.
Auf dem Kieselstrand stehend, warf ich einen letzten Blick auf die ruhigen Wasser des Loch. Man hatte mir erzählt, dort lebe ein Each Uisge, ein Wasserpferd. Dieses Wesen aus der schottischen Sagenwelt erschien in Gestalt eines jungen, zahmen Pferdes, das sein Opfer in seinen Bann schlug, um es herumstrich und es einlud, auf seinen Rücken zu steigen. Doch dann vermochte die verzauberte Person nicht wieder abzusteigen und wurde in die Tiefen des Loch gezogen, wo sie ertrank und gefressen wurde. Es hieß, dass nur die Leber wieder an die Oberfläche kam und auf dem Wasser trieb. Liam glaubte nicht an diese Geschichten, aber ich... ging lieber nicht zu nahe ans Wasser.
Eine flüchtige Bewegung weiter oben am Hang zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich war so in meine Gedanken vertieft gewesen, dass ich vollständig vergessen hatte, mich nach Seamrag umzusehen. Schnellen Schritts ging ich auf die Büsche zu. Offensichtlich entzog das Kind mir alle Kraft, denn ich musste mit brennenden Wangen und schwer atmend stehen bleiben. Mein Leib zog sich leicht zusammen, doch das war nichts Ungewohntes. Daher setzte ich meinen Weg etwas langsamer fort, um zu der Stelle zu gelangen, an die sich das kleine Tier geflüchtet hatte.
»Seamrag?«, rief ich leise und trat um den Busch herum.
Ein Kaninchen flitzte vor mir davon, und ich schrak zusammen. Ich stieß einen verblüfften Schrei aus und fuhr zurück. Dabei glitt ich auf einem halb im Boden steckenden Stein aus, mein Knöchel verdrehte sich, und ich plumpste auf mein Hinterteil.
Ich verzog das Gesicht vor Schmerzen und haderte mit mir selbst. In diesem Zustand würde ich es nicht schaffen, ins Dorf zurückzukehren, denn vor mir lag ein Fußmarsch von mehr als
einer Stunde. Liam würde wütend sein, wenn er erfuhr, dass ich ganz allein so weit gewandert war.
Bei diesem düsteren Gedanken überraschte mich ein Krampf und raubte mir den Atem. Ich warf panische Blicke um mich. Weit und breit war keine lebende Seele zu sehen. Ich musste nach Hause, koste es, was es wolle, und war dabei auf mich selbst gestellt, und das, obwohl ich mich in keinem besonders guten Zustand befand. Ich versuchte, mich zu erheben, stellte aber bestürzt fest, dass ich mich nicht bewegen konnte.
Plötzlich erfasste ein merkwürdiges Gefühl meinen Leib, und dann ergoss sich eine heiße Flüssigkeit zwischen meine Beine und tränkte meine Röcke. Ich erstarrte und riss entsetzt die Augen auf.
»Mein Gott! Mein Wasser geht ab!«, schrie ich auf. »Das Kind ist unterwegs! Aber es kommt doch viel zu früh...«
Die Worte blieben mir im Hals
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