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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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gesetzt.«
    Er kauerte sich vor mich hin und nahm meine Hände.
    »Ich liebe dich, a ghràidh. Und das ist eine Art, es dir zu zeigen.«
    »Oh, Liam! Das war doch nicht nötig, obwohl...«, sagte ich und lächelte schelmisch. »Ich freue mich sehr darüber.«
    »Ihr seht mich entzückt, Mrs. Macdonald.«
    Er küsste mich noch einmal, dieses Mal inniger, und stand dann auf.
    »Ich bedaure zutiefst, dich heute schon wieder allein lassen zu müssen, aber Stoirms Hufeisen kann wirklich nicht warten. Ich werde versuchen, so früh wie möglich zurück zu sein. Vielleicht kann ich ja einen schönen Lachs oder ein paar Austern auftreiben, wenn du Appetit darauf hast.«
    »Wunderbar! Ich werde das schöne Wetter ausnutzen und ein wenig spazieren gehen. Vielleicht finde ich ja sogar Seamrag, diesen dummen Hund.«
    »Geh nicht zu weit, du ermüdest dich nur unnötig«, ermahnte er mich und aß seinen Haferbrei auf.

    Ich folgte dem Lauf des Coe. Ein Duft nach frisch aufgebrochener Erde, Stallmist und Torf erfüllte die Luft, die ich begierig einsog. Eine Herde Rotwild, die gekommen war, um das zarte, frische Gras abzuweiden, witterte meine Anwesenheit und flüchtete. Ein Felsvorsprung war mit Moos bewachsen, das durch die Winterkälte ausgetrocknet war. Ich setzte mich darauf und beobachtete die Wildgänse, die über die schimmernden Wasser des Loch Achtriochtan glitten. Die ruhige Wasseroberfläche spiegelte die steilen Kämme des Aonach Eagach.
    Der Schnee, der die felsigen Gipfel bis in den Juni hinein bedeckte, brachte das Licht im Tal zu einem ganz besonderen Leuchten.
Ein Stück hangaufwärts weideten einige abgemagerte Kühe. Bald würden die stärksten Tiere wieder an Gewicht zulegen, und die anderen würde man schlachten müssen. Da es nicht genügend Futter für das Vieh gab, war hier, genau wie überall in den Highlands, der Winter sehr hart für die Herden.
    Ich hatte meine erste kalte Jahreszeit im Tal überstanden. In Belfast war der Winter durch das Seeklima sehr milde gewesen. Doch der Winter hier unterschied sich von der kalten Jahreszeit in der Stadt. Eine tiefe Stille senkte sich dann über die Landschaft, und eine unendliche weiße Schneedecke schmiegte sich an die Kurven von Mutter Natur. Das Leben schien langsamer zu verlaufen, während wir darauf warteten, dass die Beltanefeuer die Rückkehr der wärmeren, von Aktivität erfüllten Tage ankündigten. Der Winter war eine Zeit, in der die Körper ausruhten und die Seelen Einkehr hielten.
    Die Tage vergingen unter eintönigen Arbeiten wie Spinnen, Weben und der Reparatur von Fischernetzen, doch die Abende verliefen recht lebhaft. Die Dorfbewohner kamen reihum in ihren Häusern zusammen, um Karten, Schach oder Backgammon zu spielen. Wir erzählten uns Geschichten und Legenden und sangen, bei einigen dram Whisky vor dem Torffeuer sitzend, alte Balladen. Im Februar hatten wir anlässlich des vierten Jahrestags des Massakers Besuch von Iain Lom Macdonald erhalten, dem offiziellen Barden von Keppoch. Er war eine ganz besondere Persönlichkeit und in Lochaber hoch geachtet. Als ausgezeichneter Krieger und überzeugter Jakobit verstand er es, mit seinen Liedern, in denen er die Taten der Vorfahren rühmte, die Herzen höher schlagen zu lassen und so die Flamme für die Sache der Stuarts weiterzutragen.
    Auch die Macdonalds von Glencoe hatten einst ihren Barden gehabt, so wie alle Highland-Clans, aber Ranald Macdonald von Achtriochtan hatte zu den Opfern des 13. Februar 1692 gezählt. Seitdem wartete der Clan darauf, dass ein sprühender, wortgewandter Geist die Feder von neuem aufnahm.
    In den schottischen Highlands waren die Barden ein unverzichtbarer Teil der Gesellschaft, genau wie in meiner irischen Heimat. Auf ihnen ruhte die Aufgabe, die Geschichte der Clans in der Erinnerung
der Menschen zu bewahren und weiterzuschreiben. Sie erzählten von Ereignissen, deren Zeugen sie gewesen waren, und vermischten dabei Realität und Mythos. So entstanden unsere Legenden. Wir waren von derselben keltischen Abstammung, und unsere Sitten und Gebräuche glichen einander stark. Das schottische Gälisch, ein Dialekt der irischen Sprache, war eine grobe Sprache mit rauem und gutturalem Tonfall.
    Die Lowlander und die Engländer, die sie verachteten, hatten soeben ein Gesetz über die Errichtung von Schulen erlassen, in denen die Kinder die Sprache der Sassanachs lernen sollten. Verstohlen begann der Zwang zur Anpassung, doch so leicht starben die alten Traditionen nicht. Wir

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