Schwerter der Liebe
sicher sein konnte, dass er durch eure überhastete Heirat an die Truhe gelangen konnte, dann hat er sich vielleicht entschlossen, den Inhalt an sich zu nehmen.«
»Oder es war einer von diesen Rabauken, die du in unser Haus gebracht hast«, entgegnete Paulette verbittert. »Einen schlimmeren Haufen Diebesgesindel habe ich noch nie gesehen, und ich werde es hoffentlich auch nie wieder müssen. Wie du denken konntest, es würde schon nichts passieren, ist mir ein Rätsel!«
»Was ist denn das für eine Unruhe?«, wollte Valara ungehalten wissen, die an der Tür stand und den vor Angst zitternden Gabriel an sich drückte und ihm übers Haar strich, um ihn dann in Richtung Küche zu schicken. »Lauf nach unten in die Küche, mon petit garcon, und sag der Köchin, sie soll dir einen süßen Biskuit geben. Und du, Paulette, hörst auf zu schreien wie ein Marktweib, und Juliette, du sagst mir sofort, was hier los ist.«
Als hätte Valaras Stimme sie aus ihrer Bewusstlosigkeit geholt, regte sich Madame Armant plötzlich, stöhnte leise und versuchte sich hinzusetzen. Ihr Gesicht war grau, die Mütze saß schief, und aus dem Mundwinkel lief ihr ein wenig Speichel.
»Oh, Maman«, flüsterte Paulette.
Juliette warf Valara einen flüchtigen Blick zu und deutete auf die leere Truhe, die Erklärung genug sein sollte. Dann fasste sie kopfschüttelnd den Saum des Überwurfs und wischte ihrer Mutter das Gesicht ab. Sie versuchte, ihr beim Hinsetzen zu helfen, doch ihre Mutter ließ sich dabei so hängen, dass es so gut wie unmöglich war. Schließlich bekam sie Hilfe von Paulette, und gemeinsam gelang es ihnen dann, sie hinzusetzen und gegen eine Sofaecke zu lehnen.
»Geht es dir gut, chere Maman ? «, fragte Paulette, die ängstlich neben ihr kauerte. »Sag doch was.«
»Es ist der Fluch«, flüsterte ihre Mutter. »Ich weiß, es ist der Fluch.«
»Ach, das ist doch überhaupt nicht wahr«, widersprach Valara lautstark.
»Aber natürlich ist es wahr. Und ich habe versagt, über die Truhe zu wachen.«
Eine Seite von Mutters Gesicht war wie gelähmt, weshalb Juliette ihr wieder den Speichel abwischen musste und sie sich dann an Valara wandte. »Wir sollten wohl besser einen Doktor holen, nicht wahr?«
»Ein kleiner Schlaganfall, würde ich sagen«, erwiderte die alte Zofe bestätigend, dann verließ sie schnell das Zimmer, um nach einem Dienstmädchen zu suchen, das zum Haus des Doktors laufen sollte.
»Oh, ma cheres«, sagte ihre Mutter und griff blindlings nach den Händen der beiden Töchter. »Ich ... es tut mir so leid.«
Juliette strich ihr tröstend über den Kopf. »Schon gut. Es ist doch nicht so wichtig.«
»Aber es ist wichtig. Ich muss die Dinge wieder richten. Es war verkehrt von mir, dir zu sagen, dass du ... dass du aus dem Kloster heimkehren darfst. Dafür werde ich jetzt bestraft. Du musst dorthin zurückkehren. Unbedingt!«
»Aber Maman ...« Juliettes Protest war eine instinktive Reaktion und kam von Herzen.
»Ich hätte niemals auf das hören dürfen ... was Valara gesagt hat. Sie muss sich irren, es kann nicht anders sein. Hätte ich doch bloß nichts unternommen ... alles muss wieder so sein, wie es war, dann kommt es wieder in Ordnung.«
»Aber meine Ehe, Maman.« Juliette bekam vor Entsetzen kaum ein Wort heraus.
»Ich sagte dir doch ... nicht in der Kirche. Annullierung ... Dispens ... muss mit dem Bischof reden. Du kannst wieder ... eine Nonne werden.«
»Ich will aber keine Nonne sein.«
»Du musst es, chere. Ich habe es geschworen.« Mit ihrem Blick flehte ihre Mutter sie an, Tränen liefen ihr über die Wangen. »Du weißt, ich habe dich der Kirche versprochen.«
»Aber was ist mit mir? Zähle ich gar nicht? Ist es unwichtig, was ich möchte?« Es war wie ein Aufschrei, der von Herzen kam, und es waren Fragen, die sie sich nachts tausendmal gestellt hatte, als sie im Kloster lebte und so weit weg von ihrer Familie war.
»Es ist deine Bestimmung, ma chere. Ich gab mein Wort ... es ist meine Ehre.«
Bestimmung, Ehre. Es waren zwar nur Worte, doch Juliette konnte fühlen, wie sie sie zu umschließen versuchten, als seien es die Gitterstäbe einer Gefängniszelle. Jenseits dieser Gitterstäbe lag die Freiheit, aber auch Liebe, Freude und Leidenschaft — ihr ganzes Leben.
»Ich kann das nicht«, sagte sie, wobei ihr die Stimme versagte.
»Du musst es aber«, drängte Paulette. »Maman gab ihr Wort, und sie muss wieder zur Ruhe kommen. Es geht nur so, aber nicht anders.«
Hatten ihre
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