Schwerter der Liebe
abspielt? Andere Frauen ertragen das auch und lächeln anschließend.«
»Ja, aber ...«
»Es geht hier nicht um meine Gefühle, chere. Monsieur Daspit mag mir lästig gefallen sein, aber er wurde sehr schnell von Monsieur Pasquale in die Flucht geschlagen. Was mich beunruhigt, das ist deine Absicht, einen Mann zu heiraten, der die Hochzeitsnacht als eine Tortur beschreibt, die es zu überleben gilt. Ich flehe dich an, denk noch einmal gut darüber nach.«
»Das ist nicht nötig, wirklich nicht! Monsieur Daspit ist immer ein wahrer Gentleman, auch wenn er küsst.«
»Paulette! Du hast ihm doch nicht etwa gestattet, dich zu
küssen?«
»Sieh mich doch nicht so entsetzt an, chere. Immerhin sind wir schon so gut wie verheiratet.«
Juliette wurde bewusst, dass ihre Schwester recht hatte. Ein keuscher Kuss sollte gestattet sein, auch wenn Paulettes gerötetes Gesicht vermuten ließ, dass seine Küsse wohl etwas forscher gewesen sein mochten. Aber wenn ihr gestattet war, für diese intimen Augenblicke mit ihrem Verlobten allein zu sein, dann würde sie selbst und Monsieur Pasquale ein ähnliches Privileg genießen können.
Wenn sie das nächste Mal dem Fechtmeister begegnete, würde er sie vielleicht küssen wollen. Es war sein gutes Recht, so etwas zu erwarten.
Juliette stockte im festen Mieder ihres neuen Kleids der Atem. Eine ungewohnte Hitze regte sich in ihrem Bauch und begann sich wie eine Feuerwelle in alle Richtungen auszubreiten, was unterhalb ihrer Taille für ein eigenartiges Kribbeln sorgte. Mit einem Mal war sie sich ihrer Weiblichkeit auf eine Weise bewusst, wie sie sie noch nie in ihrem Leben wahrgenommen hatte. Es war ein sonderbares Gefühl, das unangenehm und zugleich erregend war.
Schnell wandte sie sich von ihrer Schwester ab, wobei die Röcke um ihre Beine wirbelten, und sagte über die Schulter zu ihr: »Du beschuldigst Monsieur Pasquale, es auf die Schatztruhe abgesehen zu haben. Und woher weißt du, dass Monsieur Daspit es nicht auf die Truhe abgesehen hat? «
»Natürlich hat er das«, gab Paulette spröde lachend zurück. »Ein Gentleman ohne Vermögen muss in solchen Dingen praktisch denken. Aber das bedeutet nicht, dass es das Einzige ist, was er in diesem Haus zu schätzen weiß.«
Selbstverständlich meinte Paulette sich damit selbst. »Dann hast du ihm von der Truhe erzählt? Und von ihrem Inhalt?«
»Ach, Juliette, nicht schon wieder. Ich sagte dir doch, ich habe nicht hineingeschaut, jedenfalls nicht richtig.«
»Ich überlege nur, wie viel dein Verlobter über den Inhalt weiß.«
»Du kannst aufhören, dir darüber den Kopf zu zerbrechen«, meinte ihre Schwester schroff. »Er hat keine Ahnung, was sich in der Truhe befindet, und ich weiß es auch nicht. An dem Tag hast du die Augen zugekniffen und dir die Hände vors Gesicht gehalten, sonst wüsstest du, dass ich kaum in die Truhe geschaut habe. Du kannst ruhig aufhören, mir die Schuld am Tod von Papa und Charles Yves zu geben. Der kurze Blick auf die alten Zeitungen kann nicht der Grund dafür sein, dass sie beide ... dass sie gestorben sind.«
Juliette hörte die Angst aus Paulettes Stimme heraus und ging zu ihr, um sie in die Arme zu nehmen. »Oh, chere.«
»Ich weiß, du denkst, es ist meine Schuld. Jeder würde das denken. Aber du wirst es nicht verraten, oder? Du wirst es doch nie verraten, nicht wahr?«
»Niemals«, murmelte sie und strich ihrer Schwester tröstend über den Rücken.
»Manchmal ... manchmal kommt es mir so vor, als würde ich bestraft. All dieses Unglück ist meine Strafe — natürlich Papa und Charles, aber auch Valara, wenn sie behauptet, ich sei die Jüngere, dazu Mamans Aufregung, dann bringst du einen Fechtmeister mit nach Hause. Ich wollte nicht, dass es so kommt, Juliette. Du weißt, ich habe das nicht gewollt.«
»Ich weiß, ich weiß.« Juliette meinte das ernst. Paulette war halsstarrig und impulsiv, sie handelte, ohne nachzudenken. Es war nicht ihre Absicht gewesen, den alten Aberglauben rund um die Truhe auf die Probe zu stellen. Nachdem sie es dann aber doch getan hatte, fürchtete sie sich so sehr wie Juliette vor dem, was dabei entfesselt worden war. Immerhin waren sie von ihrer Mutter beide gleich erzogen worden.
»Weißt du das wirklich?« Paulette sah sie mit gequälter Miene an. »Wenn ja, warum kann dann nicht alles wieder so sein wie früher? Warum kannst du Maman nicht einfach sagen, du hast nicht das Gefühl, dass du die Ältere bist, und du sehnst dich danach, ins
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