Schwerter der Liebe
Lady erwartet, die von meinem Freund als ein Engel bezeichnet wird.«
Juliette spürte, wie ihre Wangen zu glühen begannen. Dass Nicholas seinen Freunden von ihr erzählt hatte, war an sich schon überraschend genug, doch dass er einen solchen Begriff dabei benutzte, das machte sie einen Moment lang sprachlos. »Er übertreibt«, brachte sie schließlich heraus und senkte den Blick, um die exakt gebundene Krawatte des Gentlemans zu betrachten, die von einer dünnen, mit einem Saphir besetzten Nadel gehalten wurde.
»Von Zeit zu Zeit macht er das ganz sicher«, erwiderte Blackford lächelnd. »Aber ich versuche, mich in Nachsicht zu üben.«
»Ich wollte damit nicht andeuten, er würde nicht die Wahrheit sagen ...«
»Dann müssen Sie tatsächlich ein Engel sein.«
Sie sah ihn an, während sie ihre Hand aus seinem Griff löste. »Ich wollte damit nur ausdrücken, dass er eine übersteigerte Meinung von meinem Charakter hat.«
»Aber Sie wollten doch eine Braut von Jesus Christus werden.«
»Dennoch bin ich auch nur ein Mensch und nicht frei von Sünde, außer unmittelbar nach der Beichte. Monsieur ...«
»Von den notwendigen Gebeten befreit und von Sünde losgesprochen, sind Sie heilig genug, um den kleinen Gabriel in Ihre Obhut zu nehmen? Mir war nicht bewusst, dass solche Vorbereitungen erforderlich sind, um mütterliche Pflichten zu übernehmen.«
»Ich glaube, es ist sogar mehr als nur das erforderlich«, konterte sie schroff, »auch wenn bei einem leiblichen Kind vielleicht etwas weniger genügt.«
»Sie stören sich an der Herkunft von Nicholas' Waisenkind? Dann können Sie nicht so engelsgleich sein, wie er glaubt.«
»Eine Waise? Eine eigentümliche Bezeichnung für ein Kind, das seine Mutter verloren haben mag, aber immer noch seinen Vater hat.«
»Ich möchte bezweifeln, dass irgendjemand weiß, wie der Vater dieses armen Würmchens heißt, erst recht nicht die Frau, die ihn zurückgelassen hat.«
Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Wie meinen Sie das, dass sie ihn zurückgelassen hat?«
»Vermutlich, weil sie gestorben ist, vielleicht aber auch, weil sie verzweifelt war. Nicholas macht da keinen Unterschied, warum sollten Sie das dann tun?«
Erschrocken legte sie eine Hand an ihren Hals, um zu verdecken, wie heftig sich ihre Halsschlagader bewegte. »Wollen Sie damit sagen, Gabriel ist gar nicht sein Sohn?«
»Aber natürlich will ich das damit sagen«, gab der Engländer zurück, in dessen blauen Augen Ironie aufblitzte. »Nicholas ist zu vernünftig und zu bescheiden, um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Er hat sich des Jungen angenommen, weil ... na ja ... weil irgendjemand ihn schließlich retten musste. So wie all die anderen. Wenn Sie aber tatsächlich gedacht haben, der Junge sei sein eigen Fleisch und Blut und er habe sich bereit erklärt, für ihn nicht nur Vater, sondern auch Mutter zu sein, dann sind Sie möglicherweise ja doch die Heilige, als die er Sie beschrieben hat.«
Juliette öffnete den Fächer an ihrem Handgelenk und benutzte ihn, um ihr erhitztes Gesicht abzukühlen. »Ich nahm an, seine Beziehung zu Gabriel sei viel enger. Da habe ich mich aber ganz schön blamiert.«
»Ganz im Gegenteil, wenn Sie mich fragen. Und Nicholas würde das Gleiche sagen, wenn er es wüsste. Vielleicht wollen Sie es ihm ja sagen, immerhin ist er hier, um Sie vor meiner vorlauten Zunge zu beschützen und um Sie zweifellos um den ersten Tanz zu bitten.«
Blackford verbeugte sich noch einmal, dann warf er Nicholas einen ironischen Blick zu und entfernte sich langsam und würdevoll.
»Ich würde sagen. Sie haben sich über irgendetwas aufgeregt«, mutmaßte Nicholas nach einem kurzen Blick in ihr Gesicht. »Was hat Blackford gesagt?«
»Nichts von Bedeutung.« Es war schon schwierig genug, ihre Gedanken zu ordnen, die ihn betrafen, da konnte sie ihm nicht gleichzeitig auch noch Erklärungen liefern.
»Und Sie sind sich da ganz sicher?«
»Aber natürlich.« In diesem Moment setzte die Musik für den ersten Walzer ein, und sie legte rasch eine Hand auf seinen Arm.
Er schien ihre Beteuerung zu akzeptieren, zumindest glaubte sie das. So oder so drehte er sich mit ihr zu der frei geräumten Tanzfläche in der Mitte des Saals um, dann folgte sie ihm mit hocherhobenem Kopf, wobei sie sich der zahlreichen Blicke bewusst war, die ihnen folgten. Schließlich drehte sie sich zu ihm um, er legte seine freie Hand an ihre Taille und begann, mit Juliette Walzer zu tanzen.
Es war Welten von
Weitere Kostenlose Bücher