Schwerter der Liebe
gar nicht erst unternahm, um ihr mögliche Unannehmlichkeiten zu ersparen. Dennoch bestand auch die Möglichkeit, dass er gar nicht den Wunsch hegte, den Ballettauftritt an ihrer Seite sitzend mitzuverfolgen.
Die Primaballerina war ein ungeheuer zierliches Wesen, mit unheimlich großen Augen und mit Haar, das so glatt wie das eines Zobels war. Es schien so, als würde sie Nicholas kennen, da sie des öfteren in seine Richtung lächelte oder den Blick auf ihn richtete und ihm zublinzelte. Der Fechtmeister reagierte mindestens einmal auf diese Gesten, das konnte Juliette selbst sehen.
Sich an diesem Gebärdenspiel zu stören war einfach lächerlich, lag doch der Verlobungsring bereits beim Juwelier, um in Kürze graviert zu werden. Juliette kannte die Gerüchte, ihm eile der Ruf eines Casanovas voraus. Mit denjenigen, die im Theater oder in der Oper ihren Lebensunterhalt verdienten, verband man für gewöhnlich keine hohen moralischen Ansprüche. Eine Affäre in diese Richtung sollte da-her kein Grund zum Erstaunen sein, redete sie sich ein und versuchte, sich erfahren zu geben.
Der Beweis für eine solche Affäre war nichtsdestotrotz unerfreulich, das musste sie sich auch eingestehen. Es ließ sie an den kleinen Gabriel und an die Frau denken, die ihn zur Welt gebracht hatte. Was war aus ihr geworden, dass Nicholas um seinen unehelichen Sohn besorgt genug war, um seinetwegen zu heiraten? War sie gestorben? Hatte sie ihn verlassen? Hatte er sie geliebt ... und liebte er sie womöglich immer noch? Oder waren es Schuldgefühle, dass er sich des Jungen annahm? Schuld, weil es ihm nicht genug bedeutet hatte, die Mutter des Kindes zu heiraten?
Aber vielleicht hatte er sie ja sehr wohl geheiratet! Was, wenn Gabriel gar kein uneheliches Kind war, sondern sein leiblicher Sohn? Juliette wurde klar, dass sie darauf keine Antwort wusste. Wie wenig wusste sie doch eigentlich über diesen Mann, den sie in Kürze heiraten würde!
Beinahe hätte sie vergessen, wie geübt er im Umgang mit seiner Schläue und seinem Charme war. Wie dumm von ihr, so sehr auf seine Koketterie einzugehen. Es musste ihm doch im Blut liegen, jede Frau zu erobern, der er begegnete. Sie durfte keine von diesen Frauen werden, sonst musste sie befürchten, dass er ihr das Herz brechen würde.
Zahlreiche Gäste trafen erst nach dem Ballett ein, einige kamen von anderen gesellschaftlichen Veranstaltungen, andere waren nur am Tanzen interessiert. Zu diesen Nachzüglern gehörte auch ein Gentleman, der so prachtvoll in Gold und Blau gekleidet war, dass er sich von allen anderen Gästen mühelos abhob. Sein Mantel aus dunkelblauer Merinowolle war maßgeschneidert und schmiegte sich wie eine zweite Haut an seinen grazilen und muskulösen Körper. Seine braune Hose saß so perfekt, dass sie keine Falte warf, die Abendschuhe waren auf Hochglanz poliert, das wie reines Gold schimmernde Haar war kurz geschnitten und lag dicht am Kopf an.
Juliette entging dieser Auftritt nicht, da sie bei ihrer Mutter stand, die mit einer ihrer Freundinnen sprach, die in schwarze Seide gekleidet war und tränenreich den Verlust ihres Ehemanns vor zwei Jahren beklagte. Weil es sonst nichts gab, was ihre Aufmerksamkeit verdient hätte, gönnte sich Juliette einen Moment der Spekulation über diesen Mann. Damit war sie nicht allein, denn zwei junge Frauen hinter ihr, die mit großem Eifer Klatsch und Tratsch ausgetauscht hatten, waren ebenfalls auf den Gentleman aufmerksam geworden.
»La, ist das nicht der Engländer aus der Passage de la Bourse?«
»Wahrhaftig. Man muss sich schon fragen, wie weit es mit der Welt gekommen ist, dass gleich zwei solche Meister heute Abend hier erscheinen.«
»Einer wird sich für wichtiger halten als der andere, darauf kannst du dich verlassen«, erklärte die erste Lady in herablassendem Tonfall. »Wenigstens ist er der cadet einer Adelsfamilie und nicht ein solcher Niemand wie der Italiener.«
Als cadet bezeichnete man den jüngeren Sohn einer Familie, ging es Juliette durch den Kopf. Die beiden Frauen machten Nicholas schlecht, indem sie ihn mit dem anderen Mann verglichen! Ihre Finger schlossen sich fester um den mit goldener Seide bespannten Fächer, und sie kniff die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen.
»Dieser Pasquale hat nicht nur eine fragwürdige Herkunft, ich bin mir auch sicher, gehört zu haben, dass er ein außereheliches Kind ist.«
»Abscheulich«, gab die zweite Lady zurück. »Jemand sollte ihm erklären, dass er hier
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