Schwerter und Rosen
Stadt vorliebnehmen, während Arnfried gemeinsam mit einigen anderen Adeligen in einem der Stadthäuser Ruhe finden würde. Humpelnd schlich er auf das schief in den Angeln hängende Tor zu, drückte mit letzter Kraft einen der Flügel auf und schleppte sich die schmale Leiter auf den Dachboden hinauf, wo er sich in das duftende Heu fallen ließ und einschlief, bevor er die Stiefel abstreifen konnte.
Jerusalem, Moslemisches Viertel, September 1190
Genüsslich seufzend räkelte sich Shahzadi unter den starken Händen des Eunuchen, der ihren Körper mit kräftigen Bewegungen von seinen Verspannungen löste. Die ausgeprägten Brustmuskeln des enthaarten jungen Mannes spannten sich bei jeder Bewegung, und an seinen Oberarmen spielte ein gemeißelt wirkender Bizeps. Was für ein Jammer, dass er nur ein halber Mann war, dachte Shahzadi mit einem Blick auf das schmale Tuch um die Hüften des Eunuchen. So wie er gebaut war, hätte sie viel Spaß mit ihm haben können! Gerade glitten seine Handflächen über die sanfte Wölbung des Übergangs zwischen ihrem Rücken und den trotz ihres Alters immer noch straffen Hinterbacken, als sich eine der Türen am entfernten Ende der Kammer im Harem öffnete, und eine grobknochige Frau mit einer verschleierten Gestalt den Raum betrat. Während die dicken, schwarzen Zöpfe der Dienerin völlig von der strengen Kopfbedeckung verdeckt wurden, fiel das dunkelblonde Haar des Mädchens an ihrer Seite in einer losen Schlaufe bis zwischen ihre Schulterblätter.
»Das Mädchen, Herrin«, informierte die Dienerin knapp, wies mit dem Kinn auf eine der Bänke und gab ihrer Begleiterin einen Stoß, sodass diese wie ein Sack auf eine der gepolsterten Sitzflächen fiel. »Ich bin gleich so weit«, gurrte Shahzadi, schloss die Augen und genoss die – wie immer – gegen Ende hin härter werdende Massage. Obwohl der Besitzer der göttlichen Hände entmannt war, spürte sie auch an diesem Tag, wie seine Berührung sie mehr und mehr erregte. Als der junge Sklave ihren Körper schließlich mit einem weichen Tuch abrieb und ihr mit einer Verneigung einen Überwurf reichte, entließ sie ihn mit einer achtlosen Handbewegung und musterte die zusammengesunkene, zitternde Gestalt nahe der Wand. Die dichten Wimpern der bescheiden niedergeschlagenen Augen malten feine Schatten auf die makellose Haut, deren Oberfläche matt und seidig schimmerte. Der Mund war leicht geöffnet, und die Brust des Mädchens hob und senkte sich heftig unter dem Stoff ihres Gewandes. Außer einer zierlichen Kette trug die junge Frau keinen Schmuck, und auch die Fingernägel waren beinahe so kurz wie die eines Mannes.
»Rahel, nicht wahr?« Mit einer geschmeidigen Bewegung verknotete Shahzadi die Kordel, die das schneeweiße Gewand zusammenhielt, und trat auf die Tochter des Juden zu, die unwillkürlich vor ihr zurückweichen wollte. »Du brauchst keine Angst zu haben, mein Kind«, stellte sie nüchtern fest und klatschte in die Hände, woraufhin sich die Tür erneut öffnete und zwei etwa siebenjährige Mädchen unter tiefen Verbeugungen in den Raum huschten. »Bringt sie in eines der freien Gemächer«, befahl die Prinzessin knapp und wandte sich nach einem letzten Blick auf die in ihrer Jugend ungemein verletzlich wirkende Gefangene zum Gehen. Sie hatte kaum den ersten Schritt getan, als Rahel den tränennassen Blick hob und furchtsam fragte: »Warum habt Ihr mich hierher bringen lassen?« Obwohl sie sich eigentlich nicht veranlasst sah, die Frage zu beantworten, zuckte Shahzadi mit den Schultern und versetzte wie beiläufig: »Drücken wir es einmal so aus: Du bist jetzt so etwas Ähnliches wie ein Pfand.« Mit diesen Worten verließ sie den Raum und verschwand im Inneren des angrenzenden Hamams.
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Vor Furcht wie gelähmt, blickte sich Rahel in dem geräumigen Gemach um, in das sie von den beiden, immer wieder aufgeregt tuschelnden Mädchen geführt worden war. Früh am Morgen des heutigen Schabbat hatte Nathan das Kontor verlassen, um in der jüdischen Gemeinde um finanzielle Unterstützung in seiner Notlage zu bitten. Zwar hatte er nach Ablauf der einwöchigen Frist den Großwesir von den Fakten in Kenntnis gesetzt und einen Aufschub bis September erhalten. Doch da die sehnsüchtig erwarteten Karawanen immer noch nicht in Jerusalem eingetroffen waren, machte er sich allmählich ernsthafte Sorgen. Leicht verwundert über die frühe Stunde seines Besuches, war Rahel bei dem weithin vernehmlichen Klopfen an
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