Schwerter und Rosen
aufbewahrt würden. Der Herzog von Österreich hingegen thronte stolz erhobenen Hauptes auf seinem Schlachtross an der Spitze des kaum mehr dreieinhalbtausend Mann zählenden Zuges. Sein Wappen – ein heraldisches Abenteuer aus mehreren Fabeltieren – flatterte in dem schwülen Wind, der aus dem Landesinneren über die Landschaft fegte. Sobald der Zug die Tore der befestigten Stadt hinter sich gelassen hatte, folgte er zunächst dem parallel zur Küste verlaufenden Wasserlauf des Orontes, um einige Meilen südlich von Antiochia in eine Sumpflandschaft einzutauchen, in der sich die Hitze wie eine Wand staute. Üppiges Grün schluckte schon bald den Hufschlag der Pferde, die nervös die Köpfe warfen, um die zahllosen Stechmücken zu vertreiben. Als Ansberts Esel mit einem schmatzenden Geräusch in einem Wasserloch versank, verkniff sich der Mönch nur mühsam einen Fluch und trieb das Tier zurück auf den festgetrampelten Pfad. Je weiter die Reiter allerdings in den Urwald vordrangen, desto schmaler wurde der Weg, bis er schließlich nur noch aus Inseln im knöcheltiefen Wasser bestand. Immer wieder verfingen sich Mensch und Tier in tückischen Luftwurzeln, die wie Tentakel nach den Kreuzfahrern zu greifen schienen. Im Dickicht und über ihren Köpfen raschelte Laub und knackten Äste, sodass die Männer sich andauernd den Hals nach imaginären Feinden verrenkten – die sich allerdings als bunt gefiederte Vögel oder harmlose Vierbeiner herausstellten.
»Mag ja sein, dass dieser Weg sicherer ist«, stellte Ansbert nach einiger Zeit verdrießlich fest und klatschte sich mit der flachen Hand ins Gesicht, um einen der Blutsauger zu erschlagen. »Aber die Wahrscheinlichkeit, hier elendig zu verrecken, ist auch nicht gerade gering.« Schaudernd fegte er ein fettes Insekt von seinem Bein, als dieses den schillernden Rüssel über seine Haut gleiten ließ. Arnfried von Hilgartsberg wollte ihm gerade zustimmen, als er seinen Hengst zügelte und ein weiteres Mal in die beängstigend fruchtbare Wildnis um sie herum lauschte. Irgendwo zerbrach dürres Holz und Schilf raschelte. Aber anstatt – wie bisher – von Flattern, Kreischen oder Zischen begleitet zu werden, folgte Totenstille. Arnfrieds Brauen schoben sich misstrauisch zusammen, und er legte die Hand an den Schwertgriff. Die Armee der Kreuzfahrer war inzwischen so zergliedert, dass kaum zwei Dutzend Männer in Sichtweite waren. Ein schriller Laut durchdrang die drückende Luft, und Ansbert wäre vor Schreck beinahe aus dem Sattel gefallen. Auch Arnfried von Hilgartsberg zuckte sichtlich zusammen und zog die Waffe. »Das Viechzeug macht mir Angst«, gestand er und ließ das Schwert mit einem verlegenen Lächeln zurück in die Scheide gleiten, als ein hässlicher, stelzbeiniger Vogel aus dem Unterholz brach. »Man weiß nie, was hinter dem nächsten Baum lauert.« Ansbert hatte gerade den Mund geöffnet, um zu antworten, als ein Surren die Luft durchschnitt und der Reiter vor ihm aus dem Sattel stürzte. Ein weiteres Surren folgte, und dicht neben seinem Kopf schlug ein kurzer Pfeil in einen Baumstamm ein. »Was?«, stammelte der Mönch erschrocken. Aber noch bevor er den Satz zu Ende denken konnte, erwachten die mannshohen Schilfrohre und Farne zum Leben, und eine Horde von Angreifern stürmte mit ohrenbetäubendem Geschrei auf sie los.
Jerusalem, Moslemisches Viertel, September 1190
Mit einer Mischung aus Schüchternheit und Neugier starrte Rahel den geschmeidigen Körper des Mädchens an, das sich bei ihrer ersten Begegnung als Philippa von Franken vorgestellt hatte. Über der enthaarten Scham der jungen Frau wölbte sich ein winziges Bäuchlein, das sich jedoch in der Nähe des Bauchnabels wieder abflachte und weiter oben in eine straffe, kleine Brust überging. Die muskulösen Oberschenkel und Waden betonten die natürliche Grazie der geschickten Schwimmerin, deren Schultern und Arme wie aus Marmor gemeißelt wirkten. Eisblaue, von dichten Wimpern überschattete Augen ließen das blonde Haar der Fränkin noch heller erscheinen, und Rahel fragte sich, ob Philippa wusste, wie neidisch sie auf diesen Schmuck war. Gemeinsam mit etwa einem Dutzend anderer junger Frauen hatten die beiden Mädchen die Hitze des Dampfbades genossen und kühlten ihre krebsroten Körper nun in einem der zahlreichen, von heiter plätschernden Springbrunnen umgebenen Kaltwasserbecken ab. Während die anderen Harems mitglieder sich auf Arabisch unterhielten, tauschten Rahel und
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