Schwerter und Rosen
Philippa ihre jeweilige Lebensgeschichte auf Deutsch aus – der Sprache, die Rahel von Daja gelernt hatte. »Und du fühlst dich wirklich wohl hier?«, fragte Rahel ungläubig, wobei sie fasziniert dabei zusah, wie das fränkische Mädchen scheinbar auf dem Rücken im Wasser zu schweben schien.
»Aber ja«, gab Philippa mit einem heiteren Lächeln zurück, das zwei halbmondartige Grübchen auf ihre Wangen zauberte. »Man gewöhnt sich schnell an den Tagesablauf.« Sie machte eine kleine Pause und tauchte den blonden Schopf unter Wasser, um Sekunden später prustend wieder aufzutauchen, sich die Augen zu reiben und die nassen Strähnen aus der Stirn zu streichen. »Und vor Shazadi brauchst du dich nicht zu fürchten.« Erschrocken hielt Rahel die Luft an und blickte sich um. Doch die anderen Konkubinen des Sultans hatten das Becken inzwischen verlassen und sich in den angrenzenden Ruheraum begeben, wo sie von den Eunuchen umsorgt wurden. »Sie wird es nicht wagen, Salah ad-Din zu übergehen und dir etwas anzutun.« Die Sicherheit, die bei dieser Feststellung in der Stimme der Fränkin mitschwang, beruhigte Rahel ein wenig. Aber sie konnte die quälende Sehnsucht, die täglich wuchs und sie langsam zu ersticken drohte, nicht lindern. Immer wieder drängte sich das Bild ihres Geliebten in ihr Bewusstsein, nur um gleich darauf zu verblassen und den Befürchtungen und dunklen Vorahnungen zu weichen, die ihr Verstand in atemberaubender Aufeinanderfolge zu ersinnen schien. Mit einem schweren Seufzer lehnte sich das junge Mädchen in dem Becken zurück und unterdrückte ein Frösteln.
Philippa, die erneut untergetaucht war, schnellte keine drei Fuß von ihr entfernt an die Oberfläche, wrang mit geübtem Griff das tropfende Haar aus und blickte sie forschend an. »Du liebst ihn sehr, nicht wahr?« In ihren Augen lagen Verständnis und Mitleid, als Rahel bei diesen Worten die Hände um die mit einer Gänsehaut überzogenen Oberarme legte und diese so fest umklammerte, dass die Knöchel weiß hervortraten. Bereits wenige Minuten nach ihrer Bekanntschaft hatte Rahel dem anderen Mädchen ihre Sorgen geklagt und ihrer Verzweiflung freien Lauf gelassen. Und obwohl die blonde Tochter eines deutschen Herzogs ein Jahr jünger war als sie selbst, schien sie in ihrem kurzen Leben ein Dreifaches an Weisheit und Lebenserfahrung in sich aufgesogen zu haben. Als die ersten Tränen über Rahels Wangen rannen, legte Philippa ihr freundschaftlich den Arm um die Schultern und drückte sie an sich. Sobald sich der Weinkrampf ein wenig gelegt hatte, schlug sie ruhig, aber nachdrücklich vor: »Dir ist kalt. Wir sollten zurück ins Dampfbad.«
Nachdem sich die beiden Mädchen aus dem Wasser gezogen hatten, half Philippa Rahel in eines der für die Frauen bereitliegenden Badegewänder, bevor sie sich gemeinsam auf den Weg in den angrenzenden Raum machten, der von Kohlebecken und einem ausgeklügelten Hypokaustum auf angenehme Temperatur geheizt wurde. Als sie die Gewänder abgelegt und sich darauf niedergelassen hatten, nahm Philippa die Unterhaltung wieder auf. »Alles, was du mir bis jetzt von ihm erzählt hast«, sagte sie mit einem Blick auf Rahels ineinander verkrampfte Finger, »zeigt mir, dass er dich mehr liebt als sein Leben.« Sie zögerte einen Moment, als Rahel die Augen schloss und einige Herzschläge lang schweigend den Kopf an die Wand lehnte. Das ovale Gesicht glich einer leblosen Maske, und der Körper der jungen Frau wirkte erstarrt. Das kastanienfarbene Haar, das bis beinahe in die Kniekehlen reichte, hatte sich aus dem Handtuchturban gelöst, den sie vor dem Besuch des Dampfbades um den Kopf geschlungen hatte. Eine Zeit lang war das Zischen der zerfallenden Kohlen das einzige Geräusch. »Ja«, hauchte Rahel schließlich nach langem Schweigen und schluckte schwer. »Und ich fürchte, dass er sein Leben aufs Spiel setzen könnte, um mich zu finden.«
Jerusalem, Jüdisches Viertel, September 1190
Kochend vor Zorn riss sich Curd von Stauffen die abgetragenen Stiefel von den Füßen und schleuderte sie gegen die Wand, wo sie mit einem dumpfen Laut inmitten einer kleinen Lawine aus schimmeligem Putz zu Boden fielen. Aufgeschreckt suchte eine Handvoll Tausendfüßler das Weite, und während er der Flucht der Insekten mit zornesdunklem Blick folgte, raufte er sich verbittert die windverknoteten Locken. Verwünschungen ausstoßend pfefferte er den Gürtel, der sein abgetragenes Surkot zusammenhielt, den Schuhen
Weitere Kostenlose Bücher