Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
»Ah, Harold«, sagte sie schneidend und bedachte ihren Stiefsohn mit demselben Blick, mit dem sie ein ekelhaftes Insekt betrachten würde. »Komm herein.« Mit einem Nicken gab sie den beiden Männern zu verstehen, dass sie sich zurückziehen konnten, und als sie den Knaben rüde in das Gemach gestoßen hatten, polterten die beiden ins Erdgeschoss zurück. Bevor sich die Tür hinter ihnen schloss, bemerkte Harold aus dem Augenwinkel, wie sich Guillaume an ihnen vorbei in die geräumige Kammer quetschte. Seine Mutter quittierte die Anwesenheit ihres Sprösslings mit einer amüsiert hochgezogenen Braue, ließ ihn jedoch gewähren, als er sich mit einem großspurigen Feixen auf einen der niedrigen Schemel fallen ließ, die vor dem trotz der sommerlichen Hitze leise knisternden Kamin standen. Das Innere der geräumigen Kammer wurde bestimmt von einer ausladenden Bettstatt und einem riesigen Webstuhl, in den ein beinahe vollendeter Wandbehang eingespannt war. Umrahmt von unglaublich filigranen Blumenmustern tummelten sich Fabelwesen in einer arkadischen Landschaft, in deren Hintergrund die Heilige Stadt zu sehen war. Wie pompös!, schoss es Harold durch den Kopf. Aber er biss sich auf die Lippen, um seine Gedanken mit keiner Regung zu verraten.

    Einige Augenblicke geschah gar nichts, und der verloren im Raum stehende Knabe vermeinte, das Herz gegen seine Rippen hämmern zu hören. Das Zwitschern eines Rotkehlchens drang durch eines der geöffneten Fenster; einen Moment lang wünschte sich der Junge an die Stelle des zierlichen Vogels, der nach einer kurzen Debatte mit seinem Gefährten schimpfend das Weite suchte. Wie üblich genoss sie es, ihn schmoren zu lassen, bevor sie die Strafe über ihn verhängte, dachte er. Was würde es diesmal sein? Leif und seine Ochsenpeitsche oder etwas Ausgefalleneres? Bevor er sich weiter in düsteren Gedanken ergehen konnte, trat sie unvermittelt auf ihn zu und fauchte: »Sieh mich an!« Langsam hob er den Blick. Als seine blauen Augen die ihren trafen, jagte der Hass, den er darin lesen konnte, ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Zu spät gelang es ihm, seine Gefühle zu verbergen. Nachdem zorniges Erkennen in ihren geweiteten Pupillen aufgeflammt war, holte sie aus, um ihm eine gewaltige, schallende Ohrfeige zu versetzen, die ihn um ein Haar zu Boden geschickt hätte. Er taumelte, fing sich jedoch sofort wieder und hielt sich die brennende Wange. »Was bildest du dir eigentlich ein?!«, keifte sie – die ohnehin schon hohe Stimme schrill vor Ärger – und machte einen wütenden Schritt auf Harold zu, der unwillkürlich zurückwich. »Wer gibt dir das Recht, mit jeder dahergelaufenen Dirne Bastarde zu zeugen, die deinem Bruder sein Erbrecht streitig machen können?!« Ihr ovales Gesicht glühte vor Erregung, als sie ihm einen zweiten Schlag – diesmal mit dem Handrücken – versetzte.

    Das war es also! Guillaume hatte ihn im Wald beobachtet. Diese kleine Schlange! Harold würde ihm bei nächster Gelegenheit beibringen müssen, dass ihn seine Mutter nicht immer beschützen konnte. Erneut senkte er den Blick, da er genau wusste, dass er seinen Kopf mit keiner Erklärung aus der Schlinge würde ziehen können. Wenn sie sich einmal festgebissen hatte, dann war alles, worauf er hoffen konnte, dass die Bestrafung nicht unnötig lang hinausgezögert wurde. »Antworte!« Ihre Lippen waren dicht an seinem noch immer brennenden rechten Ohr. Heiß und stoßweise kam ihr Atem, und er musste alle Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht vor ihr und dem süßlichen Geruch, den sie verströmte, zurückzuweichen. »Ich«, hub der Knabe hilflos an, wurde jedoch sofort unterbrochen, als sich ihre krallenartige Hand um seine Kehle schloss und ihn zwang, sie anzusehen. »Ich werde dafür sorgen, dass dir die Hurerei ein für alle Mal ausgetrieben wird!«

    London, White Tower, Juli 1189

    »Ich weiß nicht, Robert ...« Die Stimme des kleineren Mannes erstarb mutlos, als er den drohenden Blick des Breitschultrigen auf sich spürte, auf dessen Zügen immer noch Wut über sein missglücktes Liebesabenteuer zu lesen war. Die beidenVerschwörer hatten die Kapuzen wieder übergeworfen und ihren Auftraggeber, den Mann mit dem Granatring, in der bescheidenen Kammer seines Untergebenen zurückgelassen. »Hört zu, William«, fuhr ihm der Größere aufgebracht über den Mund. Seine wütend zusammengepressten Lippen ließen die harten Züge noch grausamer erscheinen, als er abrupt stehen blieb und

Weitere Kostenlose Bücher