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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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dieses Spiel gewinnen!« Schmale Sonnenstrahlen fielen durch die hohen Fenster der angenehm kühlen Zitadelle und malten Muster auf den einfach gekachelten Boden. Shahzadi, die trotz ihrer zweiunddreißig Jahre immer noch eine außergewöhnlich straffe Haut und rabenschwarzes Haar besaß, hob die Augen mit den schweren Lidern und blickte ihren Bruder über den dünnen Schleier hinweg an. Auf ihrer Stirn lag ein leichtes Runzeln, das sich vertiefte, als sie mit der Rechten einen der goldenen Zierfäden ihrer Kopfbedeckung aus dem Gesicht wischte. Ihre ausgeprägten Augenbrauen wanderten in die Höhe. »Ich muss immerzu an das Frankenheer denken«, sagte sie nachdenklich, und in ihrer angenehm tiefen Stimme schwang Beunruhigung mit. Mit bedächtigen Bewegungen griff sie nach einer der fein ziselierten silbernen Tassen, die starken, mit Honig gesüßten Pfefferminztee enthielten, und hob das Gefäß an die Lippen. Nachdem sie den Trunk bis zur Neige geleert hatte, ließ sie den Schleier geschickt zurück an seinen Platz gleiten und faltete die Hände in ihrem von einem scharlachroten Kaftan bedeckten Schoß.
    Die Kunde, dass eine riesige Streitmacht auf dem Weg nach Jerusalem war, hatte bald nach deren Aufbruch im Mai die Heilige Stadt erreicht, und Salah ad-Din hatte Boten ausgesandt, um seine muslimischen Verbündeten zum Kampf aufzurufen. Allerdings hatte sich die Begeisterung der kampfesmüden Sarazenen in Grenzen gehalten. Seit Jerusalem, die Heilige Stadt, wieder in den Händen der Moslems war, schienen die Sultane und Wesire in den angrenzenden Staaten das Interesse an der gemeinsamen Sache verloren zu haben. Und zu allem Überfluss hatte Salah ad-Din in jüngster Zeit zudem noch Schwierigkeiten mit den Tributzahlungen aus Ägypten. Weshalb er seinen jüngeren Bruder, al-Adil, damit beauftragt hatte, in seinem Sultanat nach dem Rechten zu sehen. Beruhigend hob er die vom Kampf schwieligen Hände und blickte seine Schwester nachdenklich an, während er einem kahl geschorenen Sklaven mit einer Geste zu verstehen gab, dass er ihnen eine neue Kanne Tee bringen sollte. Sein dichter Bart war von Silberfäden durchzogen, und um die klugen Augen rankte sich ein Netzwerk aus feinen Fältchen, das sich vertiefte, als er Shahzadi nachsichtig anlächelte. Die schiefergrauen Augen spiegelten Besonnenheit und Beherrschung wider. »Du brauchst dich nicht zu fürchten, Shahzadi«, beruhigte er sie und führte einen Zug mit seinem Turm aus, der ihre Dame in eine prekäre Lage brachte. »Die Stadt ist sicher. Die Befestigungen sind erst verstärkt worden.« Er schmunzelte amüsiert, als sie sich mit einem unorthodoxen Zug aus der Affäre zog. »Und der größte Teil der Kreuzfahrerstaaten ist inzwischen unter unserer Kontrolle.« Erst vor Kurzem hatte er Boten zu Kilidsch Arslan II., dem Sultan von Ikonion, gesandt, um sich seiner Unterstützung zu versichern. Zwar hatte er bis jetzt noch keine Nachricht erhalten. Doch er war sich sicher, dass es der Sultan des im Nordwesten an die Grafschaft Edessa angrenzenden Hoheitsgebietes nicht wagen würde, sich seinen Befehlen zu widersetzen und die Franken durch sein Gebiet ziehen zu lassen.
    Als grüble sie über diese Aussage nach, starrte Shahzadi auf das Durcheinander aus schwarzen und weißen Figuren, die nach über einer Stunde Spielzeit beinahe symmetrisch auf dem Brett angeordnet waren. »Schach«, sagte sie schließlich trocken, nachdem sie eine Lücke in seiner Verteidigung entdeckt und ihren Läufer so platziert hatte, dass seinem König nur noch wenige Möglichkeiten zur Flucht blieben. »Du hast dich ablenken lassen«, stellte sie heiter fest und hielt die Hand auf, um ihren Gewinn entgegenzunehmen. »Unterschätze niemals deinen Gegner.«
     
     
    Grafschaft Huntingdon, August 1189
     
    »Nun komm schon!«, drängte Guy de Brassard, einer der Ritter des Earls of Huntingdon, der bereits im Sattel seines ungeduldig stampfenden Kaltblüters saß. Im trüben Licht der frühen Dämmerung schwang sich der angesprochene Harold of Huntingdon schließlich auf den Rücken seiner Stute. Als er Steigbügel und Zügel auf die richtige Länge gekürzt hatte, wandte er sich mit einem Kloß im Hals ein letztes Mal um, um sich von der heimatlichen Burg zu verabschieden. Die imposante Festung lag dunkel und ruhig dicht an dem flachen Ufer des sich träge dahinschlängelnden River Ouse, dessen Fluten an diesem Morgen wie Quecksilber glänzten. Über dem runden Torturm kreisten bereits die

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