Schwerter und Rosen
seinen Begleiter an der Brust packte. »Niemand hat Euch geheißen, Euch in diese Angelegenheit einzumischen!« Die scharfen Eckzähne des erzürnten Ritters glänzten feucht, als er abfällig die Oberlippe kräuselte. »Wenn Ihr kalte Füße bekommt, dann vergrabt Euch doch wieder in Eurem Kloster!« Die Verachtung, die in diesen Worten lag, war beinahe greifbar. Mit einer heftigen Bewegung stieß er den Kleineren von sich, der mechanisch den Stoff seiner Kutte zurechtzupfte. »Das würde ich auch am liebsten«, seufzte der Gescholtene und fuhr sich nervös über die Stirn. »Ich wünschte, ich hätte diesen verdammten Titel, Earl of Arundel, nie geerbt!« Die Heftigkeit, mit der er die Worte hervorstieß, ließ seinen Begleiter innehalten.
»Wie meint Ihr das?«, fragte er verständnislos. »Seid doch froh, dass Euer Bruder kinderlos gefallen ist! Sonst wärt Ihr bei diesen Pfaffen verrottet!« Einen Augenblick schwieg der andere, bevor er kaum hörbar flüsterte: »Vielleicht wäre das besser gewesen. Was nutzen einem all die Titel, wenn man nicht mehr ruhig schlafen kann.« Erneut zügelte der hochgewachsene Mann seine Schritte und fasste ihn grob an den knochigen Schultern, die er mit unnötiger Kraft drückte, bis sein nervöser Begleiter sich vor Schmerzen wand. »Seid vorsichtig, was Ihr sagt, William! Ich rate Euch gut, Eure unangebrachten Skrupel zu begraben, sonst …« Er ließ die Drohung unausgesprochen in der Luft hängen, während er die Furcht des anderen in sich aufsog. »Geht schlafen!«, befahl er schließlich ruppig und stieß den schmächtigen Mann ein weiteres Mal wie ein ungezogenes Kind von sich. »Im Schlaf findet man manchmal zu den richtigen Einsichten.«
Kaum hatte die Dunkelheit des langen Ganges den so Entlassenen verschluckt, stieß der Hochgewachsene einen derben Fluch aus und eilte in die entgegengesetzte Richtung davon. Was für ein beschissener Abend! Erst war ihm die Kleine entwischt und dann bekam dieser Waschlappen kalte Füße und gefährdete ihr ganzes Vorhaben! Er musste etwas dagegen unternehmen. Nachdem er sich versichert hatte, dass ihm niemand folgte, schlug er einen Gang weiter eine andere Richtung ein, riss sich den dünnen Umhang vom Leib und stürmte die breiten Stufen der Haupttreppe hinauf ins erste Stockwerk. Der warme Schein der Fackeln flackerte im Windzug, als er die hölzerne Balustrade entlangeilte und schließlich die Tür zu einem prunkvollen Gemach aufstieß. Sein Page, der auf dem dünnen Fell vor der ausladenden Bettstatt eingenickt war, fuhr erschrocken auf und sprang auf die Beine. »Mylord«, stammelte er und senkte schuldbewusst den Kopf. Der magere Körper des Burschen bebte vor Furcht, und er wich unvermittelt in eine der dunklen Ecken zurück, als der Hüne auf ihn zutrat.
»Scher dich raus!«, befahl sein Herr schroff und wandte ihm den Rücken zu. »Und sag John of Littlebourne, dass er zu mir kommen soll!«, schickte er dem geduckt an ihm vorbeihuschenden Knaben nach. Als die Tür hinter dem Jungen ins Schloss gefallen war, ließ er sich ergeben seufzend auf einen mit kostbarem Stoff ausgeschlagenen Sessel fallen, dessen Stickerei eine Jagdszene zeigte, und zerrte an den schweren, mit silbernen Sporen geschmückten Stiefeln. Allerdings hatte er für die handwerkliche Schönheit des Möbelstückes heute keine Augen. Grimmig pfefferte er den einfachen dunklen Überwurf in eine Ecke, schnürte sein Surkot ein wenig auf und streifte die weiten Ärmel zurück. Dann ließ er den Kopf in die Hände fallen und versank in dumpfem Brüten. Ein leises Klopfen riss ihn aus den Gedanken. Hastig sprang er auf, um einem vierschrötigen Ritter, der trotz der späten Stunde noch Kettenhemd und Beinlinge trug, die Tür zu öffnen. »Endlich«, kläffte er den Mann an, dessen Nase aussah, als ob sie des Öfteren Bekanntschaft mit einem Kettenhandschuh gemacht hätte, und trat einen Schritt zurück, um ihn einzulassen. »Ich habe einen Auftrag für Euch.« Der Untersetzte musterte ihn ohne Scheu und lächelte wissend. »Ihr wisst, dass Ihr Euch auf mich verlassen könnt.« Das konnte er in der Tat. Wie oft schon hatte ihm dieser ergebenste seiner Männer Dienste erwiesen, vor denen andere zurückgeschreckt wären!
Jerusalem, Die Zitadelle, Juli 1189
»Du konzentrierst dich nicht genug!«, schalt Salah ad-Din seine Schwester, die mit gebeugtem Rücken und angezogenen Beinen über dem Schachbrett kauerte. »Wenn du so weitermachst, werde ich auch
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