Schwerter und Rosen
des jungen Mannes durch den Zelteingang verschwunden war, klatschte der Sultan in die Hände und befahl dem daraufhin erscheinenden Sklaven: »Schickt einen Boten nach Kairo. Mein Bruder soll sich unverzüglich auf den Weg hierher machen!« Sollte das Heer des englischen Königs wirklich in absehbarer Zeit vor Akkon ankommen, dann würde Salah ad-Din trotz des Auftrages, mit dem er den Schwarzgekleideten betraut hatte, jeden seiner fähigen Generäle benötigen. Zwar traf immer noch beinahe täglich Verstärkung aus allen Teilen des Landes ein. Aber die Begeisterung seiner kriegsmüden Vasallen ließ zunehmend nach, und die Truppen, die man ihm schickte, bestanden zum Großteil aus unerfahrenen Männern. Nicht selten waren die Fehler, welche die meist blutjungen Unterführer begingen, vermeidbar. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass die misslungenen Ausfälle immer öfter eine unangemessen hohe Zahl an Soldatenleben forderten. Auch die Lage in der bedrängten Stadt wurde von Tag zu Tag bedenklicher. Seit der Zugang zum Meer abgeschnitten war, hungerten die Bewohner. Und wenn es doch hin und wieder einem der ägyptischen Versorgungsschiffe gelang, die Seeblockade zu durchbrechen, dann waren die Güter an Bord nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Seufzend trat Salah ad-Din vor seinen inzwischen von der Sonne ausgebleichten Pavillon und betrachtete das geschäftige Treiben um sich herum mit einer Mischung aus Zuversicht und Sorge. Sollte der wenig ehrenhafte Plan, den er seinem Besucher anvertraut hatte, fehlschlagen, dann würde er auf Allahs Hilfe vertrauen müssen.
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Während der Sultan eine zweite Feige in den Mund schob und über die weitere Strategie nachsann, die er in diesem sich immer mehr in die Länge ziehenden Krieg verfolgen sollte, hielt Curd von Stauffen im Herzen des christlichen Lazarettviertels dem kalten Blick der drohend auf ihn gerichteten Augen seines Gegenübers stand. »Das ist ein Missverständnis«, sagte der Templer so ruhig er konnte und hob die Hände in einer Geste der Kapitulation, um den empörten Fulko von Filnek nicht noch mehr zu reizen. Rahel, die sich bebend an ihn klammerte, stieß einen furchtsamen Schrei aus, als einer der Kreuzfahrer sie auf einen Wink Fulkos am Arm packte und von ihrem Beschützer fortzog. »Es stimmt, dass Euer Bruder in Aleppo den Tod gefunden hat«, fuhr Curd mit mühsam unterdrücktem Zorn fort und ließ die Männer gewähren, die ihm den Beutel mit seinen Habseligkeiten abnahmen, um ihn zu durchsuchen. »Aber seine Tochter hat das Massaker überlebt.« Der stämmige, blonde Ritter schnaubte ungläubig, ließ jedoch die Waffe sinken und folgte Curds Blick, um die inzwischen auf den Boden geschütteten Dinge zu begutachten. Inmitten der Kleidungsstücke, die Nathan dem Templer aufgenötigt hatte, glänzte der mit Edelsteinen besetzte Dolch, der Rahels Vater gehört hatte. Auch der mit seinem Wappen bestickte Mantel war deutlich zu sehen. Einige Atemzüge herrschte eisige Stille, die lediglich von Rahels heftigem Atmen unterbrochen wurde. »Das hat Wolf gehört«, stammelte Fulko schließlich, ließ das Schwert auf den festgestampften Boden fallen und ging in die Knie, um die Waffe seines toten Bruders näher zu untersuchen. »Woher habt Ihr diese Sachen?«, stieß er gepresst hervor, nachdem er die Finger über die fein gearbeitete Scheide hatte gleiten lassen, und sprang auf, um Curd erneut die Klinge auf die Brust zu setzen.
»Bitte, Onkel«, flehte Rahel, die sich aus dem Griff des Soldaten befreit hatte, und trat vor, um sich zwischen den Templer und den erzürnten Fulko zu stellen. Ihre Brust hob und senkte sich schwer, als sie die Linke auf den muskelbepackten Unterarm des Ritters legte, um ihn zu beschwichtigen. »Tut ihm nichts an, er sagt die Wahrheit.« Erstaunt über den Mut der jungen Frau, kniff Fulko von Filnek die Brauen zusammen und betrachtete zum ersten Mal seit seinem Einschreiten das Mädchen an der Seite des Tempelritters genauer. Als er in ihre Augen blickte, huschte ein kaum merklicher Schatten über seine Züge und er schob die Waffe zurück in den Gürtel, um die junge Frau näher in Augenschein zu nehmen. »Seht mich an«, befahl er bärbeißig. Und als Rahel dem Befehl folgte, studierte er lange schweigend die dunklen Locken, die schmale Nase und die fein geschwungenen Lippen der jungen Frau. »Es könnte stimmen«, brummte er schließlich und bückte sich erneut, um die Dinge auf dem Boden zu
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