Schwerter und Rosen
wenngleich es in dem verwirrenden Getümmel beinahe unmöglich gewesen war, die Verwundeten und Toten zu bergen, war es ihm mithilfe Cirencesters gelungen, den Leichnam von Catherines Vater in den inneren Ring des Lagers zu schaffen. Dort war er vor einem der Lazarettzelte aufgebahrt worden, um am folgenden Tag verbrannt zu werden. Während Löwenherz, Cirencester, Essex und all die anderen geladenen Gäste zechten und feierten, kniete die Tochter des Gefallenen an seiner Seite, um ihm das letzte Geleit zu geben. Was hätte Harold dafür gegeben, bei ihr sein zu können, ihre kalte Hand zu halten und ihr in dieser schwersten Stunde ihres Lebens eine Stütze zu sein. Doch Henry of Cirencester hatte nicht mit sich diskutieren lassen und ihm den schroffen Befehl gegeben, sein bestes Gewand anzulegen und ihm zu der Feier zu folgen.
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»Oh, wie ich diesen Krieg leid bin«, presste Berengaria von Navarra hervor, während sie lustlos an einer der köstlich zubereiteten Hühnerkeulen nagte, die eine seltene Abwechslung in dem ansonsten drögen Speiseplan der Kreuzfahrer darstellten. »Seht sie Euch bloß an!« Der Blick ihrer Augen wanderte von den etwas niedriger sitzenden Unterführern, Philipp von Frankreich, Leopold von Österreich und Konrad von Montferrat – welche die Sitzordnung ganz offensichtlich als den Affront auffassten, als der sie gedacht war – zu ihrem Gemahl. Dieser plauderte mit einem beinahe jungenhaften Strahlen auf dem Gesicht mit Guy de Lusignan und einer Handvoll weiterer Männer, die mit unterwürfiger Miene an seinen Lippen hingen. Berengaria selbst war, ebenso wie Johanna Plantagenet, an einen Tisch zur Linken des Königs verwiesen worden, wo auch einige der anderen Damen saßen und mehr schlecht als recht vorgaben, sich zu amüsieren. »Wenn es stimmt, was er sagt, dann werdet Ihr Euch morgen in einer angemessenen Unterkunft zur Ruhe begeben«, beschwichtigte Johanna, die ähnliche Gefühle hegte, ihre Schwägerin. »Ich hoffe nur, er erinnert sich dann nicht urplötzlich daran, dass er eine Gemahlin hat«, schnaubte die Spanierin verächtlich und warf Richard of Devizes, der zu Füßen seines Liebhabers Platz genommen hatte, einen giftigen Blick zu. Wie von Johanna befürchtet, hatte Löwenherz bald das Interesse an der offensichtlich wenig fruchtbaren Gattin verloren und sich wieder dem aufregenderen Liebesspiel mit dem jungen Chronisten zugewandt. »Wenigstens könnt Ihr so tun und lassen, was Euch beliebt«, versetzte sie und tupfte sich die vom süßen Wein klebrigen Lippen. »Ja«, gab Berengaria trocken zurück. »Ich könnte mich sogar in Luft auflösen, ohne dass er es bemerken würde!«
Vor den Stadttoren Akkons, 12. Juli 1191
»Es tut mir leid um Euren Onkel.« Mit einer mitfühlenden Geste legte der leicht am Bein verwundete Arnfried von Hilgartsberg, der lautlos zu dem schweigenden Paar getreten war, Rahel und Curd von Stauffen die Hände auf die Schultern, als diese auf die in Tücher eingeschlagene Leiche des gefallenen Fulko von Filnek hinabstarrten. Als die Stimmung in dem aufgeheizten Pavillon nach Mitternacht in ein ungezügeltes Gelage umgeschlagen war, hatte die junge Frau Curd gebeten, sie auf dem Weg zu ihrer Unterkunft zu dem aufgebahrten Fulko zu begleiten, um Abschied von ihm zu nehmen, bevor er am nächsten Morgen in Flammen aufging. »Der Herzog von Franken«, beantwortete Arnfried die stumme Frage und deutete mit dem Kopf auf eine weitere gesichtslose Gestalt, neben der Ansbert kniete und betete. »Oh nein«, hauchte Rahel und trat zu dem lateinisch murmelnden Mönch, um ein kurzes Gebet für den Vater der in Jerusalem zurückgebliebenen Philippa zu sprechen. »Seht Euch nur diese Verschwendung an«, seufzte Arnfried und wies auf das weite, mit gefallenen Kriegern übersäte Feld, das vom Schein der lodernden Scheiterhaufen gespenstisch erleuchtet wurde. Soweit noch erkennbar, hatte man die Toten nach ihrer Nationalität sortiert, sodass den Trauernden der Spott der verfeindeten Lager erspart blieb. Denn nicht nur einmal war es an diesem Tag zu handfesten Streitereien zwischen Pisanern, Genuesen, Deutschen, Franzosen und Engländern gekommen. Vom entferntesten Ende des Lagerplatzes drang das Gegröle der zechenden Fußsoldaten an ihr Ohr. Und als gar einer der englischen Bogenschützen einen halbwüchsigen Knaben über die Landzunge jagte, um ihn nach wenigen Metern Hatz zu Boden zu reißen und sich an ihm zu vergehen, wandte sich Rahel
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