Schwerter und Rosen
schaudernd ab und schloss die Augen. »Lass uns gehen«, flüsterte sie und ließ sich von Curd nach Norden führen, wo die dazu abgestellten Tempelritter den Ring der Bruderschaft auf Befehl Konrads streng bewachten. Zu viele Plünderer trieben in den eigenen Reihen ihr Unwesen, als dass man den einfachen Soldaten, die zum Teil wie die Tiere hausten, an solch einem Abend hätte vertrauen können.
*******
In dem von dem betrübten Paar verlassenen Festzelt ließ sich Harold of Huntingdon derweil dankbar auf die grob behauene Bank an einem der Tische fallen, an dem sich auch die anderen Knappen über die Reste des prächtigen Festmahls hermachten, und schenkte sich einen Becher Met aus einem der vielen, beinahe leeren Krüge ein. Nachdem Cirencester ihn mit einem Wink entlassen hatte, hatte er sich zu den im Kampf teilweise übel zugerichteten Burschen gesellt, um sich in den aufgeregten Unterhaltungen zu verlieren und seinen Gedanken nachzuhängen. Wie in einem Traum glitten die furchtbaren Bilder des Tages an seinem inneren Auge vorbei, während er sich in dem Pavillon umblickte. Die meisten der Streiter hatten bereits vor Stunden den Rückzug angetreten – kurz nachdem Löwenherz sich mit einem Griff an den vermutlich überfüllten Magen verabschiedet hatte. Aber viele der siegestrunkenen Ritter und Barone fuhren lallend damit fort, den schweren Wein aus Messina die durstigen Kehlen hinabzuschütten. Noch immer zermarterte er sich den Kopf darüber, wo er die Befiederung des Geschosses, das Catherines Vater gefällt hatte, schon einmal gesehen hatte. Doch je mehr er darüber nachgrübelte, desto weiter schien sich das Wissen in die Tiefen seiner Erinnerung zurückzuziehen. Er seufzte müde, leerte den Kupferbecher und stemmte sich in die Höhe. Es war Zeit, sich schlafen zu legen! Der morgige Tag würde mit Sicherheit nicht weniger erschöpfend ausfallen als der heutige, auch wenn keine weiteren Kampfhandlungen zu erwarten waren. Mit schweren Gliedern schleppte sich der Junge auf den Zeltausgang zu, wo ein halbes Dutzend Betrunkener ein Zielpinkeln in einen Eimer veranstalteten. Als sie ihn lauthals dazu einluden, sich zu ihnen zu gesellen, winkte er lächelnd ab und steuerte auf das von lodernden Feuern erleuchtete Lazarett zu. Wenn er recht hatte, würde er Catherine dort finden.
»Harold!« Kaum hatte sie seine Schritte vernommen, zuckte ihr tränennasser Blick zu ihm auf und blieb leer an ihm haften. Das weiße Totengewand, mit dem man den Earl of Derby bedeckt hatte, war inzwischen schwer von der Schwüle der Nacht, und an der Stelle, an der der Bolzen seine Kehle durchbohrt hatte, prangte ein rostroter Fleck. »Komm«, forderte Harold das kniende Mädchen auf, das einen letzten, schmerzerfüllten Blick auf den steifen Körper ihres Vaters warf, bevor es sich mit einem erstickten Schluchzen erhob. »Warum?«, fragte sie anklagend, und die Knöchel der Finger, die das zierliche Goldkreuz um ihren Hals umklammerten, traten weiß hervor. »Warum konnte es nicht irgendjemand anders treffen?« Da er keine Antwort darauf wusste, schlang Harold den Arm um ihre Schulter und führte sie schweigend auf das Lager der Damen zu, um das an diesem Abend mehr Männer als gewöhnlich patrouillierten. Eine Weile weinte sie still weiter, und Harold fühlte sich seltsam hilflos. Dann wischte sie sich zu seiner grenzenlosen Erleichterung die Augen und lehnte den Kopf an seine Schulter. Froh darüber, ihr wenigstens körperlich eine Stütze sein zu können, half er ihr über einige Hindernisse hinweg, bis sie schließlich ihr Ziel erreicht hatten. »Es ist so merkwürdig«, sagte er nachdenklich, als sie den Eingang ihres Zeltes verschlossen und eine Kerze im Inneren der Unterkunft entzündet hatten. »Was?«, erkundigte sich Catherine, die in Gedanken immer noch mit Gott haderte, verstimmt. »Der Pfeil, der ihn das Leben gekostet hat«, spann Harold den Gedanken weiter, obwohl er den ganzen Abend damit gerungen hatte, ob er seine Zweifel mit ihr teilen sollte oder nicht. »Das war ein englischer Pfeil!«
»Was?!« Das Entsetzen ließ ihre Augen riesig erscheinen. »Wie meinst du das?« Mit wenigen Worten umriss er die Fakten, doch auch sie konnte mit der beschriebenen Befiederung nichts anfangen. »Du meinst doch nicht etwa …?« Ein unaussprechlicher Verdacht ließ sie erbleichen. »Der Earl of Essex?« Jeder im Lager wusste inzwischen, dass Harolds ehemaliger Dienstherr William de Ferrers noch mehr gehasst hatte als
Weitere Kostenlose Bücher