Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
Earl, während er in die angrenzende Kammer zurückstürmte, nach einer kurzen, rindsledernen Peitsche griff und die gräuliche Lederschnur entrollte. Es war bereits mehrere Stunden nach Mitternacht, und die Stimmung des ohnehin cholerischen Adeligen war aufgeheizt durch Wein und die erneut angefachte Wut über die Zurückweisung der unverschämten Hofdame, deren köstlicher Schmollmund ihn bei der Krönung beinahe um den Verstand gebracht hatte.
    »Herr«, hub Harold, der neben Roland in die Hocke gegangen war, um dem Knaben die Stirn zu fühlen, schüchtern an. »Er ist krank.« Das schmale Gesicht des Jüngeren war totenbleich, und auf Stirn und Oberlippe glänzten dicke Schweißperlen. Der magere Körper des Jungen wurde von unkontrollierten Krämpfen geschüttelt, und hätte Harold ihm nicht im letzten Augenblick eine der Pfannen unter den Mund gehalten, hätte er sich auf die Stiefel seines Dienstherrn erbrochen. »Geh mir aus dem Weg!«, fauchte Essex durch zusammengebissene Zähne und briet ihm mit der Peitsche eins über. »Ich dulde keinen Ungehorsam!« Mit einem kräftigen Tritt beförderte er Harold in die gegenüberliegende Ecke der winzigen Kammer, in der die beiden Jungen schliefen, riss das durchnässte Nachtgewand am Rücken auf und begann, mit solcher Wucht auf den am Boden zusammengekrümmten Körper seines Pagen einzudreschen, dass diesem – dort wo der Lederriemen ihn traf – augenblicklich die Haut aufplatzte. »Bitte, Herr«, flehte der Gezüchtigte wimmernd, während er sich zu einer schützenden Kugel einrollte und die Arme um den Kopf legte. »Ich wollte …« Seine Stimme erstarb, als erneut ein Schwall Erbrochenes an seinem Kinn hinabrann. Mit hochrotem Kopf ließ der Earl die Peitsche fallen und packte den blutenden und zitternden Jungen erneut beim Kragen, um ihn vom Boden hochzureißen. »Ach, du wolltest!«, spuckte er, holte mit dem Handrücken aus und versetzte dem wie ein nasser Sack in seiner Faust hängenden Knaben einen ohrenbetäubenden Schlag ins Gesicht.
    Ein durchdringendes Knacken erfüllte den Raum, als Rolands Kopf nach hinten schoss und dann ohne Spannung zur Seite baumelte. Die darauf folgende Stille war so unheimlich, dass Harold nicht wagte, den angehaltenen Atem aus den Lungen entweichen zu lassen. Ein halbes Dutzend hämmernde Herzschläge lang schien die Szene vor Harolds Augen einzufrieren, bevor Essex blinzelte, die erhobene Hand sinken ließ und Roland wie ein Stück faules Fleisch von sich streckte. »Bursche?« Langsam wich die Wut aus den Zügen des Earls und machte leiser Verwunderung Platz. »Roland!« Er schüttelte den Jungen, was zur Folge hatte, dass der tote Körper wie eine groteske Gliederpuppe hin und her schwang. Mit einem nicht zu deutenden Ausdruck in den Augen bettete er den Knaben auf der schmalen Pritsche, von der er ihn so unsanft hochgerissen hatte, und trat einen Schritt von ihm zurück, um ihn mit gerunzelter Stirn anzustarren. »Oh, mein Gott!«, wisperte Harold schreckensbleich. »Ihr habt ihn getötet!« Entsetzt wich er vor seinem Dienstherrn zurück, der wie in Trance die Peitsche vom Boden aufnahm und versonnen in den Händen drehte. Als er die kalte Wand im Rücken spürte, presste Harold seinen Körper gegen den rauen Stein und versuchte krampfhaft einen klaren Gedanken zu fassen.
    Bevor er sich jedoch nur annähernd von dem Schock erholt hatte, trat sein Herr gefährlich langsam auf ihn zu, baute sich vor ihm auf und blickte drohend auf ihn hinab. Die starken Brauen über der ausgeprägten Nase trafen sich über der Wurzel, als er die Stirn runzelte und bedeutungsvoll die Peitsche entrollte. Was hatte er vor?, fragte Harold sich bange, während sich ein eisiges Gefühl von seinem Magen her ausbreitete und ihm die Kehle zuschnürte. Wollte er ihn ebenfalls töten? Als die Rechte des hochgewachsenen Mannes sich direkt neben seinem Kopf gegen die Steinquader stützte, hätte der Knabe um ein Haar die Kontrolle über seine Blase verloren. Zoll für Zoll schob sich das steinerne Gesicht des Adeligen näher, bis Harold den weinsauren Atem riechen konnte. »Es war ein Unfall«, stieß er drohend hervor und stemmte auch die Linke gegen die Wand, sodass Harold zwischen seinem Körper und dem Gemäuer gefangen war. »Sollte jemals etwas anderes verlautbaren, dann kannst du dich auf das gleiche Schicksal gefasst machen.« Bedeutungsvoll wanderte sein kalter Blick zu der leblosen Gestalt auf der schmalen Bettstatt zurück.
     
     
    Das

Weitere Kostenlose Bücher