Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
Umland Philippopels, entlang des Flusses Mariza, September 1189
     
    Die fruchtbare Uferlandschaft des breiten Flusses wirkte seltsam friedlich in dem von Schleierwolken verwischten Licht der Mittagssonne. So weit das Auge reichte, schien die Gegend aus sorgsam bestellten Feldern und fetten Weiden zu bestehen, auf denen Schafe, Ziegen und Kühe gemächlich ihr Futter zupften. Der Wind spielte in den Wipfeln der alten Bäume, deren Laubdach den Reitern wenigstens ein bisschen Schutz vor der Sonne spendete. Alles machte einen scheinbar idyllischen Eindruck. Wäre nicht hie und da eine Rauchsäule in den Himmel gestiegen, dann hätte man sich von der trügerischen Ruhe täuschen lassen können. Als die Reiter ein Knie des Wasserlaufes umrundeten, fiel ihr Blick auf einen Toten, der – mit dem Gesicht nach unten – in den Fluten trieb. »So hatte ich mir diesen Kreuzzug aber nicht vorgestellt«, brummte Arnfried von Hilgartsberg, der im Schatten der mächtigen Pappeln in gemächlichem Schritt neben Friedrich von Hausen herritt. Ein grimmiger Ausdruck lag auf seinem Gesicht, dessen Haut sich genauso schälte, wie die seiner Arme. Sowohl seine Rüstung als auch die Flanken seines Pferdes waren blutbesudelt, und von seinem Sattelknauf baumelte ein Säckchen kostbarer Gewürze. Noch vor Sonnenaufgang war die über fünfhundert Mann zählende Abordnung, der er und Friedrich angehörten, in das Umland der von den Deutschen besetzten Stadt Philippopel aufgebrochen, um die bereits wieder schwindenden Lebensmittelvorräte aufzufüllen. Schon sieben Dörfer hatten die Ritter überfallen und ausgeplündert, und wäre der Herzog von Schwaben nicht rechtzeitig eingeschritten, hätten die machttrunkenen Soldaten nicht davor haltgemacht, selbst die kleinsten Mädchen und Knaben in die Gräben und Büsche zu zerren und zu schänden. Das Blut, das an Arnfrieds Händen klebte, war das einer kleinen Gruppe todesmutiger Bauern, die sich gegen die Kreuzfahrer zur Wehr gesetzt hatten.
    Erschüttert von dem Flehen der zum Verhungern verurteilten Bewohner des Flusstales, hatten die beiden Männer sich erboten, das weitere Umland auszukundschaften. »Alles ist besser, als weiter mein Seelenheil aufs Spiel zu setzen«, hatte Friedrich gezischt und sein Schwert in die Scheide gerammt. Auch wenn Arnfried sich nicht sicher war, ob sie damit ihre Seelen vor dem Fegefeuer bewahren würden, war er froh, dem Elend der Einheimischen den Rücken wenden zu können. Seitdem ritten die beiden meist schweigend nebeneinander her und suchten die Gegend ab. Was sie sahen, erfüllte sie einerseits mit Freude, andererseits jedoch auch mit Mitleid für die noch unwissend ihr Dasein fristenden Bauern, deren Häuser und Scheunen bald ebenso dem Erdboden gleichgemacht würden wie die ihrer Nachbarn. »Warum hat Kaiser Isaak auch sein Wort gebrochen?«, unterbrach Friedrich das Grübeln seines Begleiters, dessen Auge wehmütig über die ordentlich gedeckten Dächer eines winzigen Fleckens glitt. »Hätte er uns die versprochenen Märkte zur Verfügung gestellt, hätte es niemals so weit kommen müssen!« Arnfried nickte nachdenklich. Ja, dachte er. Doch gab ihnen dieser Wortbruch das Recht, unschuldige Menschen abzuschlachten und auszuplündern? Schon lange war das einfache Konstrukt in seinem Kopf, das die Seiten in diesem Krieg eindeutig mit Schwarz und Weiß belegt hatte, zusammengebrochen und durch ein weitaus komplexeres Bild ersetzt worden.
    »Wartet!« Ohne Vorwarnung zügelte Friedrich seinen Falben und kam abrupt zum Stehen. »Seht Ihr das?« Mit ausgestrecktem Zeigefinger wies er Richtung Osten, wo sich im wässrigen Flimmern der Hitze ein mit unzähligen funkelnden Stacheln gespickter Wurm zu nähern schien. Träge kroch der kilometerlange Zug über Felder, Wiesen und Hügel und wurde mit jedem Blinzeln der lichtempfindlichen Augen länger. »Was kann das sein?«, fragte Arnfried stirnrunzelnd und zog die Brauen zusammen, um besser sehen zu können. Etwas, das wirkte wie flüchtige Nebelschwaden, flatterte über der Erscheinung in der Luft und verschmolz mit den dünnen Schleierwolken am Himmel. Unaufhaltsam kroch die Raupe das Flusstal entlang, schien manchmal zu stocken und sich zusammenzuschieben und manchmal grotesk in die Länge gezogen zu werden. Nachdem die beiden Männer einige Minuten wie gebannt in die Ferne gestarrt hatten, platzte Arnfried plötzlich heraus: »Das ist ein byzantinisches Heer!« Friedrich nickte zustimmend. »Verdammt, ich

Weitere Kostenlose Bücher