Schwerter und Rosen
fürchte, Ihr habt recht. Das wird Barbarossa aber gar nicht gefallen«. Er stieß einen leisen Pfiff durch die Zähne aus. Dann tat er es Arnfried von Hilgartsberg gleich, wendete sein Reittier und gab ihm die Sporen. Wie vom Teufel gejagt preschten sie in Richtung Philippopel davon, um den Deutschen Kaiser vor der drohenden Gefahr zu warnen. Während Arnfried sich tiefer über den Hals seines Pferdes beugte, fragte er sich, ob es den Byzantinern gelingen würde, die Stadt zurückzuerobern.
London, White Tower, September 1189
»Ich werde dafür sorgen, dass er dir nicht mehr zu nahe kommt.« Beruhigend legte William de Ferrers, der Earl of Derby, die Hand auf die Schulter seiner Tochter. Er war erst zwei Wochen nach der Krönung des neuen Königs in London angekommen, da ihn dringende Geschäfte auf seinem kontinentalen Besitz aufgehalten hatten. Seine Gemahlin, Catherines Mutter, war nach einem kurzen Besuch im Tower auf Befehl Aliénors nach Poitiers abgereist, wo sie sich um den verwaisten Hof der Herrscherin über Aquitanien kümmern sollte, bis diese in wenigen Monaten in ihre Heimat zurückkehrte. »Ich bin so froh, dass du endlich da bist«, murmelte Catherine, während sie ihr Gesicht an die Brust ihres Vaters presste. Wie früher gab seine Gegenwart ihr das Gefühl, dass ihr nichts und niemand etwas anhaben konnte. Seit dem furchtbaren Massaker vor wenigen Tagen schrak sie regelmäßig aus dem Schlaf auf, da die Schreie der Verfolgten sie nicht mehr losließen. Auch die Furcht vor ihrem Bedränger hatte sich wieder verstärkt – tauchte dieser doch immer häufiger wie durch Zufall in der Nähe der Damen auf. Erleichtert, ihren Vater endlich wieder um sich zu wissen, sog sie den vertrauten Geruch von Leder und Waffenöl ein und klammerte sich an ihm fest. Sein breiter Brustkorb hob und senkte sich langsam, während sein sorgsam gestutzter Kinnbart Catherines Scheitel kitzelte. Als Catherine nach einer Weile zu ihm aufblickte, lächelte er gütig auf sie hinab.
»Ich habe ihn noch nie ausstehen können«, stellte der dunkelblonde Earl, in dessen wettergegerbten Zügen die gleichen meergrünen Augen wie die seiner Tochter lachten, trocken fest. »Er ist ein feiger Mistkerl.« Behutsam machte er sich von Catherine los und öffnete die goldene Spange, die seinen kurzen Reitmantel zusammenhielt, bevor er das Kleidungsstück achtlos auf die breite Fensterbank warf, auf der Catherine Platz genommen hatte. Gleichgültig streifte sein Blick über den kostbaren Wandbehang, der die Außenwand zierte, ehe er auf seiner Tochter zum Ruhen kam. »Du brauchst dir keine Sorgen machen, Kind.« Wie selbstverständlich sprang Catherine auf, als er sich auf einen der samtgepolsterten Schemel fallen ließ, kniete sich vor ihn und half ihm aus den schweren, gepanzerten Stiefeln. »Ich werde ihm eigenhändig das Fell abziehen, wenn er sich noch einmal an dir vergreift!« Nachdem Catherine ihm einen Becher mit dem bereitgestellten Met gefüllt hatte, verabschiedete sie sich mit einem Kuss auf die Wange, um ihm etwas Ruhe zu gönnen, bevor er zu der Versammlung des Kronrates aufbrach, der in einer halben Stunde in der Halle tagen würde.
Erleichtert seufzend zog sie die Tür hinter sich ins Schloss und eilte den Gang entlang auf den Flügel des Bollwerkes zu, in dem ihre eigene bescheidene Kammer lag. Aus der angrenzenden Kapelle drangen die Klänge eines feierlichen Chorals, die sich mit dem Gebrüll der Ritter und Armbrustschützen vermischten, die im Hof der Festung ihren Waffenübungen nachgingen. Als sie an einem der kostbar verglasten Fenster ankam, hielt sie einen Augenblick inne, um das wilde Treiben zu verfolgen. Aber als einer der Reiter heftig aus dem Sattel gestoßen wurde und zu Boden stürzte, wandte sie sich hastig ab und eilte weiter. Gerade hatte sie eine der vielen verwirrend ähnlich aussehenden Türen erreicht, welche in das Labyrinth von Gängen führte, die das Innere des White Towers so unübersichtlich machten, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Ehe es ihr gelang, den Kopf zu wenden, prallte sie von etwas Hartem ab und wäre um ein Haar gestolpert, wenn sich nicht eine Hand um ihren Oberarm geschlossen und sie zurückgezogen hätte.
»Verzeiht«, stammelte der junge Mann, dessen sommersprossiges Gesicht von einer tiefen, purpurfarbenen Röte überzogen war. »Ich habe Euch nicht gesehen.« In seiner Linken hielt er einen versiegelten Umschlag, den er, um ihn vor dem
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