Schwerter und Rosen
thronte der frisch gekrönte König, dessen energisches Gesicht ein zufriedenes Lächeln zierte.
»Mehr Wein!« Erschrocken zuckte Harold zusammen, trat hinter den Earl of Essex und hob mit zitternder Hand den kostbar getriebenen Goldpokal vom Tisch, um seinem Herrn den Kelch erneut zu füllen. Zwar wäre dieser Tischdienst eigentlich Rolands Aufgabe gewesen, aber der Knabe war nach ihrer Rückkehr aus Westminster nirgends aufzutreiben gewesen. Mit einem Klumpen in der Kehle dachte Harold an die Folgen, die dieses leichtfertige Verhalten für den Jüngeren haben würde, während der schwere Wein ölig in das Gefäß rann. »Das reicht«, knurrte Robert de Mandeville und stieß Harolds Hand so heftig zur Seite, dass dieser um ein Haar den kostbaren Inhalt der Karaffe verschüttet hätte. Mit einem schüchtern gemurmelten, »Mylord«, trat er erneut in den Hintergrund. Er ignorierte geflissentlich das mitleidige Lächeln des neben ihm Tischdienst leistenden Burschen, dessen Herr – ein gutmütiger, rotwangiger Bischof – ihm soeben eine Kupfermünze zusteckte, die dieser mit einem zufriedenen Grinsen in den Taschen seines Übergewandes verschwinden ließ. Den Tag, an dem Essex ihn für etwas belohnen würde, würde er vermutlich niemals erleben, dachte Harold bitter, senkte erneut den Kopf, um keinen Unwillen auf sich zu ziehen, und lauschte unauffällig dem Gespräch zwischen Mandeville und Littlebourne, die verschwörerisch die Köpfe zusammensteckten.
*******
»Was für eine Farce!«, nuschelte der schon leicht angesäuselte John of Littlebourne, während er die zu schmalen Schlitzen zusammengekniffenen Augen zum Kopfende der langen Tafel gleiten ließ. Dort war der frisch gekrönte König in ein gestenreiches Gespräch mit einigen lächerlich protzig herausgeputzten Adeligen vertieft. »Der verschachert noch das ganze Land, wenn wir nicht aufpassen!«, zischte er und pfefferte die abgenagte Fasanenkeule auf den silbernen Knochenteller, der bereits überzuquellen drohte. Warnend hob Essex die Hand und warf seinem Ritter einen scharfen Blick zu. »Seid vorsichtig mit dem, was Ihr sagt«, flüsterte er. »Diese Burg hat Ohren.« Und außerdem kann uns das auch scheißegal sein, setzte er in Gedanken hinzu, weil sowohl er als auch die anderen Mitglieder des geheimen Bundes, den sie vor einigen Wochen geschlossen hatten, einen unfehlbaren Weg gefunden hatten, sich auf dem bevorstehenden Kreuzzug so zu bereichern, dass sie sich danach selbst ein Königreich würden kaufen können, wenn ihnen der Sinn danach stand! Da sie nicht nur den Segen, sondern den ausdrücklichen Befehl des Erzbischofs von Canterbury hatten, musste nicht einmal der Feigste unter ihnen fürchten, Gottes Zorn auf sich zu ziehen. Und sollte das Exempel, das er an dem verweichlichten Earl of Arundel statuiert hatte, nicht genügen, würden sich andere Wege auftun, dessen war er sich sicher. Zufrieden führte er ein Stück des exquisit gewürzten Hirschbratens an die Lippen, um das Aroma einzuatmen, bevor er herzhaft in das saftige Fleisch biss.
Gerade wollte er zu einer weiteren Ermahnung ansetzen, als ein Aufruhr an der schwer bewachten Tür der Halle seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Alle Augenpaare im Saal wandten sich einem schmutzigen, zerschlissen wirkenden Mann in ehemals teurer jüdischer Tracht zu, der laut protestierend Einlass begehrte. »Lasst ihn vor!«, herrschte Löwenherz die Wachen an. Und nachdem ihn die Bewaffneten grob vorwärtsgetrieben hatten, fiel der Jude wie ein Sack Mehl vor ihm und den Hochadeligen auf die Knie. »Herr«, flehte er mit bebender Stimme. »Ihr müsst dem Morden Einhalt gebieten.« Mit seinen wurstigen Fingern rang er flehend um Hilfe. »Eure Untertanen schlachten die jüdischen Einwohner der Stadt ab.« Er streckte eine mitgenommene Pergamentrolle in die Höhe. »Haben wir Euch denn nicht genug Geld als Anleihe zur Verfügung gestellt?«, fragte er verzweifelt. Nach einem kurzen, versonnenen Blick auf den am Boden Knienden, senkte Richard einige Atemzüge lang den Kopf, bevor er dem Juden befahl, sich zu erheben. Kalt ruhte der Blick seiner grauen Augen auf dem von einer kleinen Kappe bedeckten Schopf des Bittstellers. »Wenn ich meine Herolde verkünden lassen könnte, dass eure Gemeinde einen nicht unermesslichen, freiwilligen Beitrag zu unserem Kreuzzug geleistet hat, dann würden die Bluthunde sicherlich von ihren Opfern ablassen.« Mit diesen Worten entließ er den verdutzten Mann, nahm seinen
Weitere Kostenlose Bücher