Schwerter-Zylus 03 - Schwerter im Nebel
Vogeltheorie sprachen. Plötzlich waren solche Tiere an den ungewöhnlichsten Orten gesehen worden. Nun fiel auch auf, daß bei jedem der Diebstähle der Luftweg offengeblieben war. Die Opfer begannen sich an Dinge zu erinnern, die in der ersten Aufregung keinen Sinn ergeben hatten – das Schlagen von Flügeln, das Rascheln von Gefieder, Krallenspuren und Vogeldung, ein Schatten aus der Nacht – Dinge dieser Art.
Lankhmar stand vor einem Rätsel. Man nahm jedoch an, daß die Diebstähle nun aufhören würden, nachdem die Ursache der Taten bekannt war und hinreichende Vorsichtsmaßnahmen ergriffen wurden. Dem verletzten Ohr der hochstehenden Nichte wurde keine besondere Bedeutung beigemessen. Beides sollte sich noch rächen.
Zwei Tage später wurde die stadtbekannte Kurtisane Lessnya auf offener Straße von einem großen schwarzen Vogel angegriffen. Sie wußte von den Diebstählen und schlug sofort mit einem Stock auf ihren Angreifer ein und schrie los, um das Tier zu verscheuchen.
Doch zum Entsetzen der Passanten wich der Vogel den wilden Schlägen aus, krallte sich auf ihrer weißen Schulter fest und hackte der Frau das rechte Auge aus. Dann stieß er ein Krächzen aus, schlug mit den Flügeln und flog mit einer Bernsteinbrosche davon.
In den nächsten drei Tagen wurden fünf weitere Frauen auf gleiche Art beraubt; nur zwei der Opfer kamen ohne Verletzungen davon.
Lankhmar war entsetzt. Die unheimliche Zielstrebigkeit der Vögel brachte alle möglichen abergläubischen Ängste ans Tageslicht. Bogenschützen mit dreispitzigen Pfeilen wurden auf den Dächern postiert. Furchtsame Frauen gingen nicht mehr aus oder trugen Umhänge, um ihr Geschmeide zu bedecken. Trotz der sommerlichen Hitze blieben viele Fenster zu. Eine beträchtliche Anzahl unschuldiger Tauben und Möwen wurde erschossen und vergiftet. Mutige junge Adlige nahmen ihre Falken und machten Jagd nach den Übeltätern.
Doch sie hatten Mühe, überhaupt einen Gegner zu finden. Und wenn es ganz selten einmal zu einer Auseinandersetzung kam, trafen die Falken auf einen Gegner, der schnell flog und geschickt kämpfte. Mehr als einmal kam es dazu, daß in den reichen Haushalten um einen Jagdvogel getrauert wurde. Alle Versuche, den geflügelten Dieben zu folgen, schlugen fehl.
Allerdings hatten diese Bemühungen ein spürbares Ergebnis: Von nun an fanden die meisten Überfälle und Diebstähle nach Anbruch der Dunkelheit statt.
Einige Tage später, drei Stunden nachdem sich Vogelkrallen in ihren Hals geschlagen hatten, starb eine Frau unter großen Schmerzen, und die Ärzte in ihren schwarzen Roben meinten, die scharfen Krallen müßten mit einem tödlichen Gift bedeckt gewesen sein.
Die Panik wuchs und zeugte wilde Theorien. Die Priester des Großen Gottes sahen in den Vorfällen eine göttliche Maßnahme gegen die weibliche Eitelkeit und äußerten düstere Prophezeiungen über eine bevorstehende Revolte aller Tiere gegen die sündige Menschheit. Astrologen wollten unheilvolle Zeichen erkannt haben. Ein wilder Mob zündete ein Vogelhaus an, das einem reichen Kornhändler gehörte, und drängte sich dann durch die Straßen, bewarf alle Vögel mit Steinen und tötete drei heilige schwarze Schwäne, ehe die Leute zerstreut werden konnten.
Doch die Angriffe gingen weiter. Mit gewohnter Anpassungsfähigkeit begann sich Lankhmar nun doch etwas auf die bizarre, unerklärliche Belagerung aus dem Himmel einzurichten. Reiche Frauen münzten ihre Angst in eine neue Mode um und trugen Silbernetze über den Gesichtern. Das forderte natürlich die Witzemacher zu der Bemerkung heraus, daß die Vögel nun frei wären, während die Frauen in den Käfigen steckten. Die Kurtisane ließ sich von ihrem Juwelier ein kostbares Goldauge machen, das nach allgemeiner Auffassung ihre exotische Schönheit noch förderte.
Dann erschienen Fafhrd und der Graue Mausling in Lankhmar. Nur wenige ahnten, wo sich der riesige Nordling und sein kleiner, flinker Begleiter aufgehalten hatten oder warum sie gerade jetzt zurückgekommen waren. Auch machten sich Fafhrd und der Graue Mausling nicht die Mühe, ihre Gegenwart zu erklären.
Im Silbernen Aal fragten sie herum, forschten auch an anderen Stellen in der Stadt, tranken dabei viel Wein und mieden Auseinandersetzungen. Durch bestimmte Kanäle erfuhr der Mausling, daß der überaus reiche, doch gesellschaftlich nicht gerade angesehene Geldverleiher Muulsh dem König des Ostens, der gerade dringend Bargeld brauchte, einen großartigen
Weitere Kostenlose Bücher