Schwerter-Zylus 05 - Schwerter im Kampf
Boden neben dem Stuhl standen mehrere rundliche Gebilde mit langen Hälsen und Griffohren. Fafhrd zählte sie, und wieder erschien ein breites Grinsen auf seinem Gesicht.
»›Hängst du für einen‹, hast du gesagt«, brummte er in seiner alten Baßstimme, ohne den Blick von den Weinkrügen zu nehmen. »Ich sehe aber vier Gehängte, Mausling.«
»Natürlich«, wiederholte der Mausling.
Als die vom Mausling geholte Kerze in einem kleinen Wachsteich zu flackern begann, leerte Fafhrd schon den dritten ›Gehängten‹. Er hob den Krug über den Kopf, fing den letzten Tropfen auf und warf das Gefäß mit behutsamer Bewegung fort wie einen großen federleichten Ball. Als der Krug auf dem Boden explodierte, beugte er sich vor, ohne von dem Bett aufzustehen, neigte sich so tief hinab, daß sein Bart den Boden berührte, ergriff den letzten ›Gehängten‹ mit beiden Händen und hob ihn mit übertriebener Vorsicht auf den Tisch. Dann nahm er ein Messer mit kurzer Klinge und machte sich daran, sorgfältig das Harz vom Hals des Krugs zu entfernen. Dabei neigte er sich so dicht an seine Arbeit, daß er unwillkürlich zu schielen begann.
Fafhrd hatte keine Ähnlichkeit mehr mit einem Priestergehilfen – nicht einmal mehr mit einem Priestergehilfen auf Abwegen. Als der erste ›Gehängte‹ leer war, hatte er sich für weitere Taten gewappnet und seine Sachen abgelegt. Die Kamelhaarrobe lag in einer Ecke des Zimmers, die gepolsterten Panzerteile in einer anderen. Er trug nur noch einen nicht mehr ganz weißen Lendenschurz und sah wie ein hagerer bekümmerter Berserker aus oder wie ein barbarischer König im Badehaus.
Seit einiger Zeit war schon kein Licht mehr durch die Fensterschlitze gedrungen; jetzt wurde es dort oben wieder heller. Offenbar brannten draußen Fackeln. Die Geräusche der Nacht hatten eingesetzt und wurden lauter – entferntes Gelächter, die Rufe der Händler, verschiedene Aufforderungen zum Gebet ... und Bwadres' weittragende rauhe Stimme, die immer wieder »Fafhrd!« rief. Aber auch diese Rufe waren vor einiger Zeit verstummt.
Fafhrd ließ sich viel Zeit mit dem Harz, das er wie Gold behandelte, und der Mausling mußte mehrmals an sich halten, um nicht ungeduldig aufzustöhnen. Dennoch hatte er ein Siegeslächeln aufgesetzt. Er bewegte sich nur einmal, um an der flackernden Kerze einen neuen Docht anzuzünden. Fafhrd schien den Wechsel in der Beleuchtung gar nicht wahrzunehmen. Der Mausling sagte sich, daß sein Freund die Umwelt wahrscheinlich im hellen Licht des Weingeistes sah, das den Weg jedes braven Zechers ausleuchtet.
Plötzlich hob der Nordling das kurze Messer und bohrte es mitten in den Korken.
»Stirb, du falscher Mingol!« rief er, zog das Messer mit einer Drehung heraus – und der Korken blieb auf der Messerspitze stecken. »Ich trinke dein Blut!« Und er hob die Steinflasche an die Lippen.
Nachdem er nach Schätzung des Mauslings etwa ein Drittel des Inhalts getrunken hatte, setzte er den Krug ziemlich plötzlich auf den Tisch. Seine Augäpfel rollten nach oben, sämtliche Muskeln seines Körpers zuckten in wonnigem Erschaudern, und er sank majestätisch zurück wie ein Baum, der gefällt worden ist. Das altersschwache Bett ächzte verdächtig, brach unter seinem Gewicht aber nicht zusammen.
Und doch war die Szene noch nicht zu Ende. Eine besorgte Falte erschien zwischen Fafhrds buschigen Augenbrauen, der Kopf reckte sich in die Höhe, und seine blutunterlaufenen Augen starrten drohend in die Runde, suchten das Zimmer ab. Ihr Blick heftete sich auf den letzten Steinkrug. Ein langer muskelbepackter Arm zuckte vor, eine große Hand legte sich um den Flaschenhals und stellte das Gefäß unter die Bettkante, ohne wieder loszulassen. Dann schlossen sich Fafhrds Augen, der Kopf sank endgültig zurück, und lächelnd begann er zu schnarchen.
Der Mausling stand auf und beugte sich über den Schlafenden. Er öffnete ein Auge Fafhrds und nickte zufrieden, er nickte nochmals, als er Fafhrd den Puls gefühlt hatte, dessen Rhythmus so langsam und kräftig war wie die Brandung des Äußeren Meeres.
Inzwischen bemühte sich die andere Hand des Mauslings mit einer gewohnheitsmäßigen Schnelligkeit und Kunstfertigkeit, die unter diesen Umständen überflüssig war, aus einer Tasche in Fafhrds Lendenschurz einen schimmernden Goldgegenstand zu ziehen, den er dort entdeckt hatte. Er steckte das Gebilde in eine Geheimtasche seiner grauen Tunika.
Hinter ihm hustete jemand.
Es war ein so
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