Schwerter-Zylus 08 - Ritter und Knappe des Schwerts
erschienen war.
Er erblickte jedoch außer den Vögeln noch eine sechste Gestalt, eine hübsche junge Frau auf halber Höhe der anderen Seite der Takelage, die – das Gesicht von ihm abgewandt – mit ausgebreiteten Armen an der Webeleine lehnte, als wolle sie sich von der Sonne bescheinen lassen. Sie trug ein recht kurzes, weißes Hemdkleid aus Spitze, war barfuß und hatte eine kleine, geschwungene Silbertrompete um den Hals gehängt. Für Frix war sie zu klein und außerdem blond, nicht rabenschwarzhaarig.
»Ahoy!« rief Fafhrd nach unten, nicht leise, doch auch nicht unnötig laut, denn wenn auch seine neue Angst vor dem Höhersteigen ihn ungemein beschäftigte, war er weiterhin der Überzeugung, daß jede heftige Bewegung oder Lautäußerung unklug wäre. Daß er ein paar Meter gestiegen war, bedeutete nicht, daß er nicht wieder fallen könnte, insbesondere wenn er auf die Leere unter sich hinunterblickte.
Die Faulenzerin schaute nicht auf und ließ auch sonst nicht erkennen, daß sie ihn gehört hatte.
»Ahoy!« wiederholte Fafhrd, schon ein wenig lauter, doch wiederum ohne erkennbare Regung von ihrer Seite, es sei denn, ihr Gähnen wäre als eine solche zu deuten gewesen.
»Ahoy!« brüllte Fafhrd, der seine Sorgen bezüglich der wenig wünschenswerten möglichen Auswirkungen lauten Lärms vergessen hatte.
Nun drehte sie ziemlich langsam den Kopf und wandte ihm ihr Gesicht zu. Mehr jedoch nicht.
»Wolkenmädchen«, rief. Fafhrd mit freundlicher, vielleicht jedoch ein wenig gebieterischer Stimme nach unten, »ruf deine Herrin an Deck. Ich bin ein alter Freund.«
Sie starrte ihn weiter an. Sonst nichts, nur daß sie vielleicht hochmütig die Brauen hob.
»Ich bin Kapitän Fafhrd von der Seefalke «, rief Fafhrd scharf, sein Schiff nennend, das im Hafen der Reifinsel vor Anker lag. »Und wie du genau siehst, befinde ich mich in einer Notlage. Erzähle deinem Kapitän von diesen Umständen. Und sei versichert, daß sie mich gut kennt.«
Nachdem sie ihn noch eine Weile angestarrt hatte, nickte das Wolkenmädchen mißmutig, kletterte in aller Ruhe Hand um Hand zum Deck hinunter und schlenderte dann, nach einem weiteren Blick zu ihm hinauf, zum Heckkastell.
Fafhrd war verärgert. »Beeil dich doch, Mädchen«, rief er, »und falls du Förmlichkeiten vermißt, dann sag der Königin von Arilia, ein alter Freund bitte respektvollst darum, sie dringend sofort sehen zu dürfen.«
Sie blieb in der Tür zum Heckkastell stehen, blickte noch einmal zu ihm empor und fragte mit schriller, frecher Stimme: »War das vielleicht Respekt, als du auf unser Schiff gepinkelt hast?« Dann warf sie ihr Kleid hinten hoch und verschwand nach drinnen.
Fafhrd stieß ein paar würdevolle Knurrtöne aus, wenn auch niemand außer den Möwen sie hören konnte, und fühlte sich zu dem Versuch ermutigt, zur Mastspitze des Wolkenschiffs hinabzuschwimmen, weshalb er sich umdrehte und kopfüber nach unten richtete, die Füße nach oben gekehrt, obwohl es ihn eine ungeheure Willensanstrengung kostete, sich mit ganzer Kraft einer Tat zuzuwenden, die wie ein Versuch wirkte, sich aus der Höhe zu lösen und einen katastrophalen Sturz auszulösen. Damit er sich im schlimmsten Falle abfangen konnte, nahm er weiter Ziel auf die Takelage.
Er keuchte heftig und hatte sich nach seiner Schätzung etwa ein Viertel der Strecke nach unten gekämpft, als das freche Wolkenmädchen wieder auftauchte, diesmal (endlich!) gefolgt von Frix, die wie die umwerfend schöne Kapitänin einer Schiffsbesatzung von Amazonen in ein tropisches Uniformkleid aus silberumborteter weißer Spitze gekleidet war, das ihre schlanke Figur, ihr dunkles Haar und die Kupfertönung ihrer Haut ganz wundervoll betonte. Außerdem trug sie hüfthohe weiße Rehlederstiefel, einen breitkrempigen Hut aus dem gleichen Stoff, mit Straußenfedern besetzt und einen silberbeschlagenen Gürtel aus Schneeschlangenleder, in dem ein langer, schmaler Säbel mit silbernem Griff und silberner Scheide hing.
Sie sah zu dem struppigen, haarigen, nackten Fafhrd hinauf, der sich unter gewaltigen Anstrengungen zu ihr hinunterarbeitete, und sprach ein Wort zu dem Wolkenmädchen im knappen Spitzenkleid, das darauf die Silbertrompete an die Lippen setzte und einen süßen, aufreizenden Ton blies.
Worauf aus dem Heckkastell sechs große, gertenschlanke Frauen strömten, die Frix von der Figur her glichen und in einem Uniformkleid steckten, wie es den Soldaten einer solchen Kapitänin anstand, nur daß an
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