Schwerter-Zylus 08 - Ritter und Knappe des Schwerts
des Donners, des Satyrs, der Ernte, der Zweiten Hexe, des Frosts und der Liebenden – zuerst sechs auf einmal, dann vier, dann drei, dann zwei und dann jede einzeln.
Die Mädchen wandelten eines hinter dem anderen, Hand in Hand, anmutig wie in einem Traum. Der alte Ourph schritt behende dahin, mit seinen Füßen den Takt schlagend, während Mutter Grum sich trotz ihrer Beleibtheit flink bewegte und mit einem erstaunlich sicheren Rhythmus. Rill bildete das Ende, von ihrer Versehrten Hand hing eine nicht entzündete Laternenlampe mit dem Tran eines Meeres-Leviathans herab.
Als das Mondlicht allmählich heller wurde, staunte Finger etwas verängstigt über die sonderbaren reifischen Runen und wilden Szenen, die in die Mondsäulen eingehauen waren. Gale drückte ihr beruhigend die Hand und flüsterte ihr bruchstückweise zu, daß sie die Abenteuer der legendären Hexenkönigin Skeldir darstellten, die in den alten Tagen der Insel hilfesuchend in die Unterwelt hinabgestiegen und so schließlich in die Lage versetzt worden war, die drei schrecklichen Angriffe durch Simorgya zurückzuschlagen.
Als die sieben langsamen magischen Umkreisungen vollendet waren und das grellweiße Rund Skamas (der Göttin heiligster Name) so hoch emporgestiegen schien, daß das Schwarz des Himmels es rundum umgab, führte May die Menschenkette in Schlangenlinien nach Westen auf die große Wiese hinaus, voller Zutrauen im vollen Schein des Mondes. Eine kurze Weile wurden sie noch von den Schatten der zwölf Säulen und der am Kieferbogen hängenden Klanghölzer begleitet, dann traten sie einer nach dem anderen auf die weite, von Spuren unberührte, mondbeschienene Fläche, wo das gefrorene, schneebestäubte Gras unter ihren Füßen knirschte. May ging weiter in Schlangenlinien, indem sie bald nach links, bald nach rechts abbog, genau wie beim letzten Gang zwischen den Säulen hindurch. Doch insgesamt ging es nach Westen, so daß ihre Schatten ihnen den Weg wiesen.
Und dann rief Afreyt mit zitternder Stimme den heiligen Namen »Skama!« aus, und alle stimmten im Rhythmus mit der tanzenden Vorwärtsbewegung in den ersten Gesang der Göttin ein:
»Zwölf Masken trägt die Herrin aus dem Dunkeln,
des Nachts in ihres Sterngartens Funkeln:
Schnee, Wolf, Saat, Hexe, Geist und mordgegeben
Das Messer; und Sechse noch aus Schwarz und Licht:
Donner, Lust, Ernte, der Hexe zweites Leben;
Es end't das Jahr mit Frost und Liebeslicht;
Die Königin des Dunkeln und der Nacht
Im schwarzen Schleier und der Silberpracht.«
Fünf Taktschläge lang verstummten alle, dann rief Afreyt wieder »Skama!«, und sie stimmten ihren zweiten Gesang an, wobei die Schritte länger und gleitender wurden, um sich dem veränderten Rhythmus anzupassen:
»Oh schreckliche Herrscherin voller Mysterien,
dies sei dein Siegel: Flamme und Stern,
Nachtbiene, Glühwespe, Lava, Bistorium,
denn sie verweisen auf Wunder die fern;
Komet und Hagel, Verblüffung meisterlich,
Königin des Dunkeln, Leuchte der Nacht,
Geliebte des Schreckens, grausam und schwesterlich –
Greisin, Maid, Mutter, komm in weißer Pracht!«
Vier Taktschläge Pause, noch einmal erklang der Ruf »Skama!« von Afreyt, und nun wurde der Tanz schnell und stampfend, als bewegten die Tänzer sich zum Schlag einer Trommel:
»Schneemond, Wolfmond, Saatmond, Hexmond;
Geistmond, Mordmond, Schlagmond, Lustmond;
Sichel, Hex Zwei, Frostmond, Fickmond.
Skama winkt, Skeldir steigt
Tief die dunkle, enge Treppe,
Fuß voran wie's Reifinselgrab,
Stellt sich mutig gift'gen Monstern,
Tritt die Schlangen, nackt ihr Fuß;
Harte Erde, fester Stein,
Steigt hindurch sie, durch Granit;
Skeldir sinkt der Mut, sie schwankt –
Denn sie sieht den Mond dort unten,
Und im Herz des Dunkeln: Licht!«
Diesmal ließ Afreyt zwanzig Taktschläge verstreichen, bevor sie ihre Anrufung ausstieß, und die Menschenkette begann Hand in Hand eine Wiederholung der drei Gesänge, während sie sich in Schlangenlinien nach Westen weiterbewegte. Ein wenig weiter nördlich ragte Elbfeste auf, eine blasse, kräftige Felsnadel mit struppigem Heidekraut bewachsen, deren abgeflachte, rechteckige Spitze man selbst mit dem stärksten Bogen nicht beschießen konnte. Vor zwei Monden hatten sie am schicksalsträchtigen Mittsommertag dort gepicknickt, alle Anwesenden außer Finger und Ourph. Im Süden dagegen begann eine Kette niedrigen, sanft gewellten Hügellandes, zunächst nur als einfache Erhebungen im Meer des
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