Schwertgesang
Haesten neben sich. Wie mir auffiel, sah Æthelflaed niemals zu Erik hinüber. Niemand, der sie ansah, und in dem Saal waren viele neugierig auf die Tochter des Königs von Wessex, hätte geahnt, dass sie Eriks Geliebte geworden war.
Die Nordmänner wussten, wie man ein Fest feiert. Das Essen war reichlich, das Bier verschwenderisch und die Unterhaltung bot Zerstreuung. Es waren Gaukler da und Stelzenläufer, Musiker und Tänzer und Geisteskranke, die an den unteren Tischen stürmisches Gelächter auslösten. »Wir sollten über die Wahnsinnigen nicht lachen«, erklärte mir Æthelflaed. Sie hatte kaum etwas gegessen, nur in einer Schale mit gekochten Muscheln gepickt. »Sie werden gut behandelt«, sagte ich, »und es ist bestimmt besser, zu essen und ein Dach über dem Kopf zu haben, als zu den Tieren gesperrt zu werden.« Ich sah einem nackten Irren zu, der krampfhaft nach seinem Schwanz suchte. Er äugte auf den Tischen der Lacher herum und verstand nicht, worüber sie sich so brüllend laut belustigten. Eine Frau mit strähnigem Haar, von rauen Schreien angefeuert, zog ein Kleidungsstück nach dem anderen aus und wusste nicht, was sie tat. Æthelflaed starrte zu ihr hin. »Es gibt Klöster, in denen man sich um die Geisteskranken kümmert«, sagte sie.
»Nicht dort, wo die Dänen herrschen«, sagte ich. Sie senkte ihre Augen und schwieg eine Zeitlang. Zwei Kleinwüchsige zerrten jetzt die nackte Frau zu dem nackten Mann, und die Zuschauer krümmten sich vor Lachen. Æthelflaed sah kurz auf, schauderte und richtete ihren Blick wieder auf den Tisch. »Hast du mit Erik gesprochen?«, fragte sie. Wir konnten unbesorgt Englisch sprechen, denn niemand konnte uns zuhören, und selbst wenn uns jemand gehört hätte, so hätte er kaum etwas von dem verstanden, was wir sagten.
»Wie Ihr es wolltet«, stellte ich fest, denn ich hatte verstanden, weshalb sie darauf gedrängt hatte, mit Pater Willibald in den Palas zu gehen. »Habt Ihr eine ordentliche Beichte abgelegt?«
»Ist das deine Angelegenheit?«
»Nein«, sagte ich und lachte.
Sie sah mich an und grinste verhalten. Dann errötete sie. »Wirst du uns helfen?« »Was zu tun?«
Sie runzelte die Stirn. »Hat Erik es dir nicht gesagt?« »Er sagte, Ihr wollt meine Hilfe, aber welche Art von Hilfe?«
»Hilf uns hier wegzukommen«, sagte sie. »Und was wird Euer Vater mit mir machen, wenn ich Euch helfe?«, fragte ich und erhielt keine Antwort. »Ich dachte, Ihr hasst die Dänen.« »Erik ist Norweger«, sagte sie.
»Dänen, Norweger, Nordmänner, Wikinger, Heiden«, sagte ich, »sie sind alle die Feinde Eures Vaters.«
Sie warf einen Blickin Richtung der Feuerstelle. Daneben rangen die beiden Geisteskranken inzwischen am Boden miteinander, statt sich zu bespringen, wie es die Zuschauer zweifellos erhofft hatten. Der Mann war viel größer, aber auch dümmer, und die Frau schlug ihn zu den anfeuernden Schreien der Umstehenden mit einer Handvoll Binsenstroh auf den Kopf. »Warum lassen sie das zu?«, fragte Æthelflaed.
»Weil es sie belustigt«, sagte ich, »und weil sie keine Meute schwarz gewandeter Kirchenmänner auf den Fersen haben, die ihnen erklären, was richtig ist und was falsch, und deshalb, Herrin, mag ich sie so.«
Sie senkte erneut ihren Blick. »Ich wollte Erik nicht mögen«, sagte sie sehr leise. »Aber dann habt Ihr es doch getan.« Tränen standen in ihren Augen. »Ich konnte es nicht verhindern«, sagte sie, »ich habe gebetet, dass es nicht geschieht, aber je mehr ich betete, umso mehr dachte ich an ihn.« »Also liebt Ihr ihn«, sagte ich. »Ja.« »Er ist ein guter Mann«, versicherte ich ihr. »Glaubst du?«, fragte sie lebhaft. »Ja, wirklich.« »Und er wird Christ werden«, fuhr sie begeistert fort. »Das hat er mir versprochen. Er will es auch selbst. Aufrichtig?«
Das überraschte mich nicht. Erik hatte sich schon lange vom Christentum angezogen gefühlt, und ich bezweifelte, dass Æthelflaed viel Überzeugungskraft hatte aufbringen müssen. »Und was ist mit Æthelred?«, fragte ich sie. »Ich hasse ihn.« Sie zischte diese Worte mit so viel Leidenschaft, dass Sigefrid herübersah und sie anstarrte. Er zuckte mit den Schultern, weil er nicht verstanden hatte, worüber sie sich erregte, und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Kampf der beiden Nackten zu.
»Ihr werdet Eure Familie verlieren«, warnte ich sie. »Ich werde selbst eine Familie haben«, sagte sie entschlossen. »Erik und ich werden eine Familie gründen.«
»Und Ihr
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