Schwertgesang
brüllenden, gierigen Nordmännern kommen würde, die mit dem Schwert aufgewachsen waren. Alfred wandte sich an seinen Schwiegersohn. »Und ich erwarte, dass der Fyrd von Mercien an unserer Seite ist.« »Das wird er, Herr«, sagte Æthelred leidenschaftlich. In seinem Gesicht war keine Spur der Krankheit mehr zu erkennen, die ihn gepackt hatte, als ich ihm das letzte Mal in diesem Palas begegnet war. Seine Farbe war zurückgekehrt, und sein übersteigertes Selbstvertrauen schien nicht erschüttert.
»Vielleicht ist dies Gottes Werk«, sagte Alfred, der wieder Erkenwald ansah. »In Seiner Gnade bietet Er unseren Feinden die Möglichkeit, eine Streitmacht von Tausenden aufzustellen, sodass wir sie in einer einzigen großen Schlacht bezwingen können.« Seine Stimme wurde kräftiger, als er diese Gedanken aussprach. »Der Herr ist mit mir«, sagte er entschlossen, »darum furchte ich mich nicht!«
»Das Wort des Herrn«, sagte Bruder Asser frömmlerisch und bekreuzigte sich. »Amen«, sagte Æthelred, »und nochmals amen. Wir werden sie besiegen, Herr!« »Aber bevor du deinen großen Sieg erringst«, sagte ich zu Æthelred und genoss voller Gehässigkeit, was ich zu sagen hatte, »hast du eine Pflicht zu erfüllen. Du wirst das Lösegeld selbst abgeben.« »Bei Gott, das werde ich nicht!«, sagte Æthelred empört, dann fing er Alfreds Blick auf und sank in seinen Stuhl zurück.
»Und du wirst vor Sigefrid knien«, sagte ich und streute damit noch Salz in die Wunde.
Sogar Alfred war fassungslos. »Besteht Sigefrid auf dieser Bedingung?«, fragte er.
»Das tut er, Herr«, sagte ich, »obwohl ich lange darüber mit ihm gestritten habe! Ich habe auf ihn eingeredet und Einwände gemacht und ihn gebeten, doch er wollte nicht nachgeben.«
Æthelred starrte mich einfach nur entsetzt an.
»So sei es«, sagte Alfred. »Manchmal fordert unser Herr und Gott mehr, als wir verkraften können, doch um Seines ruhmreichen Namens willen müssen wir es ertragen.« »Amen«, sagte ich inbrünstig und verdiente mir damit einen äußerst zweifelnden Blick des Königs. Sie redeten so lange, wie eine von Alfreds Bänderkerzen brauchte, um für zwei Stunden Wachs zu verbrennen, und es waren alles verschwendete Worte. Sie redeten darüber, wie das Lösegeld gesammelt werden und wie es nach Lundene gebracht und wie es in Beamfleot abgeliefert werden sollte. Ich machte meine Vorschläge, während Alfred das Wesentliche auf den Rand seines Pergaments schrieb, und es war alles vergeudete Mühe, denn wenn ich erfolgreich wäre, würde kein Lösegeld gezahlt werden und Æthelflaed würde nicht zurückkommen und Alfreds Thron wäre sicher.
Und all das wollte ich möglich machen. In einer Woche.
ELF
Dunkelheit. Das letzte Tageslicht war vergangen, und die Dunkelheit der nächsten Nacht umhüllte uns.
Es gab etwas Mondlicht, doch vor dem Mond standen Wolken, sodass ihre Ränder versilbert wurden, und unter einem riesigen Himmel aus Silber, Schwärze und Sternenglanz glitt der Seeadler Temes hinunter. Ralla war am Steuerruder. Er war ein weitaus besserer Seemann, als ich es jemals zu werden hoffen konnte, und ich traute ihm zu, uns in der Finsternis sicher durch die weiten Schlaufen des Flusses zu bringen. Zumeist war es unmöglich zu sagen, wo das Wasser endete und das Marschland begann, doch Ralla schien unbesorgt. Er stand mit gespreizten Beinen da und stampfte mit dem Fuß auf, wenn die Ruderer ihren Takt verlangsamen sollten. Er sagte wenig, doch von Zeit zu Zeit änderte er mit dem langen Griff des Steuerruders den Kurs ein klein wenig, und kein einziges Mal berührte ein Ruderblatt die abfallenden Schlickbänke an den Ufern des Flusses. Manchmal kam der Mond hinter einer Wolke hervor, und dann schimmerte das Wasser mit einem Mal silbrig vor uns auf. An den Ufern zogen die kleinen Feuer der Marschenhütten als rotglühende Punkte an uns vorüber.
Wir nutzten die Strömung der Ebbe, um uns flussabwärts tragen zu lassen. Der zuweilen auftauchende Widerschein des Mondes auf dem Wasser zeigte uns, wie sich die Ufer immer weiter voneinander entfernten, während der Fluss auf seinem Weg ins Meer unmerklich breiter wurde. Ich hielt meinen Blick nach Norden gerichtet, suchte nach dem hellen Schein, den die Feuer in und um das Lager bei Beamfleot in den Himmel warfen.
»Wie viele Schiffe haben die Heiden in Beamfleot?«, fragte mich Ralla unvermittelt. »Vierundsechzig vor einer Woche«, sagte ich, »aber inzwischen vermutlich eher achtzig.
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