Schwertgesang
Herrschaft gebracht hatten und Alfred sich mit ein paar Getreuen in die Sumpfgebiete des Westens flüchten musste. Pyrlig war von seinem walisischen König als Botschafter gesandt worden, um das Maß von Alfreds Schwäche auszukundschaften oder auszunutzen, doch stattdessen hatte er sich Alfred angeschlossen und für ihn gekämpft. Pyrlig und ich hatten gemeinsam im Schildwall gestanden. Wir hatten Seite an Seite gekämpft. Wir waren Waliser und Sachse, Christ und Heide, und wir hätten Feinde sein müssen, doch ich liebte ihn wie einen Bruder. Also gab ich ihm mein Schwert, und statt zuzusehen, wie er an ein Kreuz genagelt wurde, eröffnete ich ihm die Möglichkeit, um sein Leben zu kämpfen.
Und es war natürlich kein redlicher Kampf. Schon nach einem Moment war er beendet! In der Tat hatte er kaum begonnen, als er schon wieder endete, und nur mich allein überraschte dieses Ende nicht.
Sigefrid erwartete, einem fetten, ungeübten Priester gegenüberzutreten, doch ich wusste, dass Pyrlig ein Krieger gewesen war, bevor er seinen Gott gefunden hatte. Ein gewaltiger Krieger war er gewesen, ein Sachsentöter und ein Mann, über den sein Volk Lieder sang. Jetzt sah er nicht mehr wie ein gewaltiger Krieger aus. Er war halb nackt, fett, zerzaust, verschrammt und voller Blutergüsse. Er wartete mit einer Miene grässlichen Entsetzens auf Sigefrids Angriff und ließ Schlangenhauchs Spitze immer noch auf dem Boden aufstehen. Er wich rückwärts aus, als Sigefrid näher kam, und gab winselnde Geräusche von sich. Sigefrid lachte und holte fast wie im Spiel mit seinem Schwert aus, denn er rechnete damit, Pyrlig die Klinge aus der Hand zu schlagen, sodass der dicke Wanst ungeschützt war und er ihn mit seinem Schreckenspender aufschlitzen konnte. Da bewegte sich Pyrlig wie ein Wiesel. In einer anmutigen Bewegung hob er Schlangenhauch und tanzte ein paar Schritte zurück, sodass Sigefrids unvorsichtiger Hieb unter der Klinge hindurchfuhr, und dann trat er auf seinen Gegner zu und ließ Schlangenhauch heftig niederfahren, drehte ihn dabei aus dem Handgelenk und schmetterte ihn gegen Sigefrids Schwertarm, der noch im Auswärtsschwung war. Der Hieb war nicht stark genug, um die Kettenrüstung zu durchbrechen, aber er trieb Sigefrids Schwertarm noch weiter nach außen, und so bekam Pyrlig die Gelegenheit zum Zustoßen. Und Pyrlig stieß zu. Er war so schnell, dass Schlangenhauch wie ein silbriger Schemen auf Sigefrids Brust zufuhr. Erneut durchbohrte die Klinge Sigefrids Kettenhemd nicht. Doch der Stoß trieb den großen Mann rückwärts, und ich sah rasende Wut in den Augen des Norwegers aufflackern, und ich sah ihn Schreckenspender in einem gewaltigen Schwung zurückbringen, der Pyrlig bestimmt in einem blutigroten Augenblick geköpft hätte, so viel Stärke und Wildheit lag in diesem mächtigen Hieb. Doch Pyrlig, der nur noch einen Herzschlag von seinem Tod entfernt schien, setzte nur sein Handgelenk wieder ein. Es sah aus, als bewege er sich gar nicht, und dennoch flackerte Schlangenhauch aufwärts und zur Seite.
Er traf Sigefrid mit der Schwertspitze an der Innenseite des Handgelenks, und ich sah das Blut wie roten Nebel in die Luft sprühen. Und ich sah Pyrlig lächeln. Es war zwar eher eine Grimasse, doch in diesem Lächeln lag der Stolz des Kriegers und die Siegesfreude des Kriegers. Seine Klinge hatte Sigefrids Unterarm aufgeschlitzt, die Kettenrüstung aufgerissen, und Fleisch und Haut und Muskeln lagen vom Handgelenk bis zum Ellbogen offen, und Sigefrid konnte seinen mächtigen Hieb nicht mehr ausführen. Der Schwertarm des Norwegers erlahmte, und Pyrlig trat unvermittelt zurück und drehte Schlangenhauch, sodass er das Schwert abwärts fahren lassen konnte, und nun schien er auch endlich Kraft in die Klinge legen zu wollen. Sie machte ein pfeifendes Geräusch, als der Waliser auf das blutende Handgelenk Sigefrids einhackte. Beinahe hätte er die Hand abgetrennt, doch die Klinge glitt an einem Knochen ab und nahm sich nur Sigefrids Daumen, und Schreckenspender fiel auf den Boden der Arena, und Schlangenhauch schnellte zu Sigefrids Bart empor, und dann lag er an seiner Kehle. »Nein!«, rief ich. Sigefrid war zu entsetzt, um wütend zu sein. Er konnte nicht glauben, was eben geschehen war. Mittlerweile musste er wissen, dass sein Gegner ein Schwertmann war, aber er konnte dennoch nicht glauben, dass er der Unterlegene sein sollte. Er hob seine blutigen Hände, als wolle er Pyrligs Klinge packen, und ich sah die Klinge
Weitere Kostenlose Bücher