Schwertgesang
erwischen, doch er verfehlte ihn, und die Axt landete in einer Schlammpfütze.
Es war ein regnerischer Frühling geworden. Es goss in Strömen, der Fluss trat über seine Ufer, und überall war es matschig. Stiefel und Kleidung verrotteten. Das bisschen Korn, das noch in den Speichern war, begann zu keimen, und ich schickte meine Männer auf die Jagd oder zum Fischen, damit wir genug zu essen hatten. Die ersten Kälber wurden geboren, ihre blutigen Leiber glitten in eine feuchte Welt. Jeden Tag erwartete ich Alfred zu einer neuerlichen Überprüfung der Fortschritte, die wir in Coccham machten, doch in diesen regendurchtränkten Tagen zog er es vor, in Wintancaester zu bleiben. Allerdings sandte er einen Botschafter, es war ein blässlicher Priester, der mir einen Brief übergab, der in einen gut eingefetteten Lammfellbeutel eingenäht war. »Solltet Ihr nicht lesen können, Herr«, erbot er sich zaghaft, während ich den Beutel öffnete, »könnte ich ...« »Ich kann lesen«, knurrte ich. Und das stimmte. Ich war auf diese Fähigkeit nicht übermäßig stolz, denn nur Priester und Mönche waren wirklich auf die Kunst des Lesens angewiesen, doch Pater Beocca hatte mir sämtliche Buchstaben eingebläut, als ich ein Junge war, und inzwischen hatten sich diese Lektionen als recht nützlich erwiesen. Alfred hatte verfügt, dass alle Herren in seinem Lande lesen können mussten, nicht nur, damit sie sich durch die Gebetbücher hindurchstottern konnten, die uns der König unaufhörlich als Geschenke zusandte, sondern auch, damit sie in der Lage waren, seine Botschaften zu lesen.
Ich glaubte, das Schreiben enthielte Neuigkeiten über Æthelred, möglicherweise eine Erklärung dafür, was ihn so lange davon abhielt, seine Männer nach Coccham zu bringen, doch stattdessen war es eine Anweisung, für je dreißig Männer einen Priester auf dem Zug gegen Lundene mitzunehmen. »Was soll ich?«, fragte ich laut. »Der König ist in Sorge um das Seelenheil der Männer«, sagte der Priester. »Und deshalb muss ich unnütze Esser mitnehmen? Richtet ihm aus, dass er mir ausreichend Korn schicken soll, dann nehme ich ein paar von seinen verfluchten Priestern mit.« Erneut betrachtete ich den Brief, der von einem der königlichen Schreiber abgefasst worden war, doch ganz unten stand eine Zeile in Alfreds ausgeprägter Handschrift. »Wo ist Osferth?«, hieß es dort. »Er hat heute zurückzukehren. Schicke ihn mit Pater Cuthbert auf den Weg.«
»Ihr seid Pater Cuthbert?«, fragte ich den ängstlichen Priester. »Ja, Herr.«
»Nun, Ihr könnt Osferth nicht mit zurücknehmen«, sagte ich, »er ist krank.« »Krank?« »Er leidet wie ein Hund«, sagte ich, »und voraussichtlich wird er sterben.« »Aber ich dachte, ihn gesehen zu haben«, sagte Pater Cuthbert und deutete zur offenen Tür hinaus auf die Wiese, auf der Finan sich bemühte, Osferth zu etwas mehr Geschicklichkeit und Eifer anzustacheln. »Seht doch«, sagte der Priester strahlend, weil er sich freute, mir die gute Nachricht mitteilen zu können, dass Osferth keineswegs krank war.
»Er wird sogar sehr wahrscheinlich sterben«, sagte ich langsam und bösartig. Pater Cuthbert öffnete den Mund zu einer Entgegnung, überlegte es sich aber anders, nachdem er meinen Blick gesehen hatte. »Finan!«, rief ich und wartete, bis der Ire mit einem blanken Schwert in der Hand hereingekommen war. »Wie lange«, fragte ich, »wird der junge Osferth deiner Meinung nach überleben?« »Wenn er Glück hat, einen Tag«, sagte Finan, der davon ausging, dass ich danach gefragt hatte, wie lange Osferth in einer Schlacht am Leben bleiben würde.
»Seht Ihr?«, sagte ich zu Pater Cuthbert. »Er ist krank. Er wird sterben. Also richtet dem König aus, dass ich um Osferth trauern werde. Und richtet dem König auch aus, dass der Feind in Lundene umso stärker wird, je länger sich mein Cousin Zeit lässt.« »Es liegt am Wetter, Herr«, sagte Pater Cuthbert. »Herr Æthelred findet keine ausreichende Verpflegung.«
»Sagt ihm, in Lundene gibt es genügend Nahrungsmittel«, erwiderte ich und wusste, dass ich nur meinen Atem verschwendete. Æthelred kam schließlich Mitte April, und unsere vereinten Streitkräfte machten fast achthundert Mann aus, von denen jedoch weniger als vierhundert wirklich einsatzfähig waren. Die anderen stammten aus dem Fyrd von Berrocscire oder waren von Æthelreds Besitzungen im südlichen Mercien gerufen worden, die er von seinem Vater, dem Bruder meiner Mutter, geerbt
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