Schwertgesang
wenn ich geglaubt hätte, dass sich Æthelred dieser Aufgabe annehmen würde, doch er schien sich in seliger Unwissenheit zu befinden, was den Zustand der Verteidigungsanlagen betraf. Sigefrid hatte einige Stellen ausgebessert und die Tore verstärkt, doch es blieb immer noch ausreichend zu tun. Das alte Mauerwerk bröckelte und war hier und da sogar in den Außengraben abgerutscht. Meine Männer fällten Bäume und bearbeiteten die Stämme, damit wir überall, wo die Mauer Schwachstellen hatte, neue Palisaden errichten konnten. Dann räumten wir den Außengraben frei, holten verfilzten Unrat heraus, und als Willkommensgruß für jeden Angreifer rammten wir Stangen hinein, die wir oben angespitzt hatten.
Alfred schickte den Befehl, dass die gesamte alte Stadt wieder instand gesetzt werden sollte. Jedes ausbesserungsfähige Römergebäude sollte erhalten werden, während verfallene Ruinen abgetragen und durch Häuser aus kräftigem Balkenwerk und Strohdächern ersetzt werden sollten. Doch wir hatten weder ausreichend Männer noch die Mittel, um diese Aufgaben anzugehen. Alfreds Vorstellung war, dass die Sachsen aus der ungeschützten neuen Stadt in das alte Lundene zogen und hinter den Wehranlagen sicher wären, aber diese Sachsen fürchteten noch immer die Geister der römischen Baumeister, und deshalb widerstanden sie halsstarrig jedem Angebot, die verlassenen Anwesen zu übernehmen. Meine Männer aus dem Fyrd von Berrocscire fürchteten sich genauso vor den Geistern der Römer, aber noch mehr fürchteten sie mich, und deshalb blieben sie und arbeiteten. Æthelred kümmerte sich nicht um das, was ich tat. Er musste seine Krankheit überstanden haben, denn er ging eifrig auf die Jagd. Jeden Tag ritt er in die Wälder nördlich der Stadt, um Rotwild zu erlegen. Nie ließ er sich von weniger als vierzig Männern begleiten, denn es bestand immer die Möglichkeit, dass ein Trupp plündernder Dänen bis hierher vorstieß. Es gab viele von diesen Trupps, aber das Verhängnis wollte es, dass niemals einer in Æthelreds Nähe kam. Jeden Tag sah ich im Osten Reiter, die sich ihren Weg durch das trostlose Marschland suchten, das sich flussabwärts vor der Stadt erstreckte. Es waren Dänen, sie beobachteten uns, und zweifellos versorgten sie Sigefrid mit Berichten.
Auch ich erfahr Neuigkeiten über Sigefrid. Er war am Leben, wie die Kundschafter sagten, doch seine Verwundung hatte ihn zum Krüppel gemacht, und er konnte weder gehen noch stehen. Er hatte sich zusammen mit seinem Bruder nach Beamfleot zurückgezogen, und von dort aus schickten sie Plünderer in die Mündung der Temes. Sächsische Schiffe wagten es nicht mehr, ins Frankenreich zu segeln, denn die Nordmänner waren nach ihrer Niederlage in Lundene voller Rachgier. Ein drachenköpfiges dänisches Schiff ruderte sogar die Temes bis an die Wasserstrudel vor der eingestürzten Brücke herauf, um uns herauszufordern. Sie hatten sächsische Gefangene an Bord und töteten sie, einen nach dem anderen, wobei sie darauf achteten, dass wir die blutige Metzelei genau sehen konnten. Es waren auch Frauen unter den Gefangenen, und wir hörten ihre Schreie. Ich schickte Finan und ein Dutzend weitere Männer zur Brücke. Sie nahmen eine Tonschale mit, in der Feuer brannte, und als sie auf der Brücke angekommen waren, benutzten sie Jagdbogen, um die Eindringlinge mit Feuerpfeilen zu beschießen. Jeder Schiffsführer fürchtet das Feuer, und die Pfeile, von denen allerdings die meisten gänzlich fehlgingen, überzeugten die Dänen schnell, so weit flussabwärts zu fahren, bis sie außer Reichweite der Pfeile waren. Doch weit entfernten sie sich nicht, und ihre Ruderer hielten das Schiff gegen die Strömung, und noch mehr Gefangene wurden getötet. Sie blieben, bis ich eines der erbeuteten Schiffe bemannte, die noch am Anlegeplatz lagen, erst dann wendeten sie und ruderten in der Abenddämmerung flussabwärts. Andere Schiffe aus Beamfleot kreuzten über den weiten Mündungstrichter der Temes und brachten Männer hinüber nach Wessex. Dieser Teil von Wessex war ein fremdartiger Landstrich. Einst war er das Königreich von Cent gewesen, doch dann hatten die Westsachsen es erobert, und obwohl die Männer von Cent Sachsen waren, besaßen sie eine sehr eigentümliche Aussprache. Es war immer eine raue, verwilderte Gegend gewesen, in großer Nähe zu den Ländern auf der anderen Seite des Meeres, und nur allzu verlockend für die Raubzüge der Wikinger. Nun sandten Sigefrids Männer ein
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