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Schwertgesang

Schwertgesang

Titel: Schwertgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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nicht daran, dass Alfred seine Spitzel in meinem Hausstand untergebracht hatte, und ich glaubte zu wissen, wer sie waren, dennoch war ich nicht ganz sicher, ob ich alle von ihnen erkannt hatte. Deshalb hatte ich dafür gesorgt, dass sich alle Diener weit von dem Raum entfernt aufhielten, in dem Æ und ich miteinander redeten. Dennoch war es nicht klug, solche Dinge zu laut auszusprechen.
    Gisela hatte mit dem Spinnen der Wolle innegehalten und starrte an. Und auch ich starrte ihn an. »Er hat was gesagt?«, fragte ich. »Er sagte, dass du, Uhtred«, fuhr Æ jetzt leiser fort, »zum König von Mercien gekrönt werden wirst.« »Hast du getrunken?«, fragte ich. »Nein«, sagte er, »nur Bier.« Er beugte sich zu mir vor. »Bjorn der Tote wünscht auch mit dir zu sprechen, um dir dein Schicksal vorauszusagen. Du und ich, Uhtred, wir werden Könige und Nachbarn. Die Götter wollen es so, und sie haben einen toten Mann geschickt, damit er mir davon berichtet.« Æ zitterte leicht und er schwitzte, aber betrunken war er nicht. Irgendetwas hatte ihn vor Schreck nüchtern werden lassen, und das überzeugte mich davon, dass er die Wahrheit sagte. »Sie möchten wissen, ob du willens bist, den Toten zu treffen«, sagte er, »und wenn du es bist, dann werden sie nach dir schicken.«
    Ich sah Gisela an, die meinen Blick mit ausdrucksloser Miene erwiderte. Ich ließ meine Augen auf ihr ruhen, nicht, weil ich auf eine Bemerkung von ihr wartete, sondern weil sie schön war, so schön. Meine dunkle Dänin, meine anmutige Gisela, meine Braut, meine Liebe. Sie musste meine Gedanken gelesen haben, denn ein kleines Lächeln ließ ihr schmales, ernstes Gesicht aufleuchten. »Uhtred soll König werden?«, brach sie das Schweigen und blickte zu hinüber. »So hat der Tote gesagt«, bemerkte herausfordernd. »Und Bjorn hat es von den drei Schwestern gehört.« Er meinte die Parzen, die Nornen, die drei Schwestern, die unsere Schicksalsfäden verweben. »Uhtred soll König von Mercien werden?«, fragte Gisela zweifelnd.
    »Und Ihr werdet die Königin«, sagte Gisela richtete ihren Blick wieder auf mich. Sie hatte einen fragenden Ausdruck im Gesicht, und ich wusste, was in ihrem Kopf vorging. Doch ich machte keine Bemerkung dazu. Stattdessen dachte ich darüber nach, dass es in Mercien keinen König gab. Der alte König, ein sächsischer Köter an der dänischen Leine, war gestorben und hatte keinen Nachfolger hinterlassen, und so war das Königreich zwischen den Dänen und den Sachsen aufgeteilt worden. Der Bruder meiner Mutter war in Mercien Aldermann gewesen, bis ihn die Waliser umgebracht hatten, also floss in meinen Adern mercisches Blut. Und es gab keinen König in Mercien.
    »Ich denke, du hörst dir besser an, was der tote Mann zu sagen hat.« Gisela klang ernst.
    »Wenn sie nach mir schicken«, versprach ich, »dann werde ich das auch tun.« Und das würde ich auch, denn ein toter Mann redete, und er wollte, dass ich König wurde.
    Alfred kam eine Woche später. Es war ein schöner Tag mit zartblauem Himmel, und die Mittagssonne stand niedrig über dem winterlichen Land. Wo die Temes träge um die Inseln Sceaftes Eye und Wodenes Eye herumfloss, hatten sich Eiskrusten an den Rändern des Flussbettes gebildet. Blesshühner, Teichrallen und Zwergtaucher paddelten an den Eisrändern entlang, während auf dem tauenden Uferschlamm von Sceaftes Eye ein Schwarm Drosseln und Amseln nach Würmern und Schnecken suchte. Das war Zuhause. Das war nun seit zwei Jahren mein Zuhause. Und Zuhause bedeutete Coccham, an der Grenze von Wessex, wo die Temes in Richtung Lundene und Meer fließt. Ich, Uhtred, ein Herr aus Northumbrien, ein Vertriebener und ein Krieger, war zu einem Baumeister, einem Händler und einem Vater geworden. Ich diente Alfred, dem König von Wessex, nicht weil ich es wollte, sondern weil ich ihm meinen Schwur geleistet hatte.
    Und Alfred hatte mir eine Aufgabe gestellt: Ich sollte in Coccham seine neue Wehrburg errichten. Eine Burg war eine Stadt, die in eine Festung umgewandelt wurde, und Alfred übersäte sein Königreich Wessex mit solchen Anlagen. Überall an den Grenzen von Wessex, an der See, an den Ufern der Flüsse und am Rand des Ödlandes, hinter dem Cornwall mit seinen unberechenbaren Wilden lag, wurden Wallanlagen gebaut. Ein dänisches Heer konnte zwar zwischen diesen Festungen nach Wessex einbrechen, doch es würde auch in Alfreds Kernland überall auf Bollwerke stoßen, und jedes davon war mit Kriegern besetzt.

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