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Schwester der Finsternis - 11

Schwester der Finsternis - 11

Titel: Schwester der Finsternis - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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die mit der Gabe Gesegneten.
    Düstere, tief liegende Wolken eilten über diese Szenerie dahin. Die feuchte Luft stank nach den Exkrementen von Mensch und Tier, im gesamten Umkreis waren die grünen Felder zu schlammigem Morast zerwühlt. Die zweitausend Soldaten, die mit Nicci zurückgekommen waren, waren von dem gewaltigen Heerlager aufgesogen worden wie ein kleiner Regenschauer von einem Sumpf.
    Ein Armeelager der Imperialen Ordnung war ein Ort voller Lärm und scheinbarer Unordnung, und doch längst nicht so verworren, wie es vielleicht den Anschein hatte. Es existierte eine Befehlshierarchie, und es gab Dienste und Arbeiten, die verrichtet werden mussten. Da und dort arbeiteten Soldaten ganz für sich allein an ihrer Ausrüstung, ölten Waffen und Lederzeug oder wälzten ihre Kettenpanzer in Fässern mit Sand und Essig, um sie vom Rost zu befreien, während andere an Lagerfeuern Essen zubereiteten. Beschlagmeister versorgten die Pferde, Handwerker kümmerten sich um alles, von der Reparatur der Waffen über die Herstellung neuer Stiefel bis hin zum Zähneziehen. Geistliche jeglicher Couleur durchstreiften das Lager, nahmen sich der erschöpften Seelen an oder wehrten lästige Dämonen ab. Nach getaner Arbeit rotteten sich derbe Banden zusammen, um sich, gewöhnlich mit Spiel und Trinkgelagen, zu verlustieren. Manchmal wurden die Marketender in diese Ablenkungen einbezogen, manchmal die Gefangenen.
    Selbst inmitten solcher Menschenmassen fühlte Nicci sich einsam und allein. Jagangs Abwesenheit in ihrem Verstand hinterließ ein Gefühl beunruhigender Abgeschiedenheit. Befand sich der Traumwandler in ihrem Verstand, ließen sich nicht einmal die intimsten Verrichtungen des Lebens – kein Gedanke, keine Handlung – geheim halten. Seine Anwesenheit lauerte in den dunklen Winkeln des Verstandes, von wo aus er alles beobachten konnte: jedes Wort, das man sprach, jeden Gedanken, den man hatte, jeden Bissen, den man zu sich nahm, jedes Räuspern, jedes Husten, jeden Besuch auf dem Abort. Man war nie allein. Niemals. Diese Vergewaltigung raubte einem alle Kraft, der Übergriff war vollkommen.
    Das war es, woran die meisten Schwestern zerbrachen: dieses brutal Allumfassende, das Bewusstsein seiner unablässig beobachtenden Anwesenheit im eigenen Verstand. Fast schlimmer noch, die Wurzeln des Traumwandlers durchzogen einen durch und durch, und trotzdem wusste man nie, wann seine Aufmerksamkeit auf einen gerichtet war. Man bedachte ihn mit einem üblichen Schimpfwort, und es blieb unbemerkt, da seine Aufmerksamkeit woandershin gerichtet war. Ein anderes Mal kam einem vielleicht ein kurzer, intimer, gehässiger Gedanke über ihn, und er wusste davon im selben Augenblick, da man ihn dachte.
    Wie viele der anderen Schwestern hatte Nicci gelernt, diese Wurzeln zu spüren und zu erkennen, wann sie, so wie jetzt, nicht vorhanden waren. Bei den anderen geschah das nie: Bei ihnen waren diese Wurzeln allgegenwärtig. Zwar kehrte Jagang stets irgendwann zurück, um seine Wurzeln erneut in ihr zu versenken, zurzeit aber war sie allein. Nur wusste sie nicht, warum.
    Das Durcheinander aus Truppen und Lagerfeuern ließ keinen klar erkennbaren Weg für das Gespann, daher hatte Nicci ihre Kutsche stehen lassen, um den Rest des Weges, den Hügel hinauf, zu Fuß zurückzulegen. Das setzte sie den wollüstigen Blicken und lüsternen Zurufen der Soldaten aus, die den Hang bevölkerten. Vermutlich würde sie, bevor Jagang mit ihr fertig war, seitens der Soldaten noch ganz anderen Dingen ausgesetzt sein. Die meisten Schwestern wurden von Zeit zu Zeit zum Vergnügen der Soldaten zu den Zelten rausgeschickt. Entweder geschah dies, um sie zu bestrafen, oft aber auch nur, um ihnen zu zeigen, dass es einfach so, aus einer Laune heraus angeordnet werden konnte – damit sie nie vergaßen, dass sie Sklaven waren, nicht wertvoller als ein Gegenstand, den man besitzt.
    Nicci jedoch war dem ausschließlichen Zeitvertreib des Kaisers und der eigens von ihm Auserwählten – wie Kadar Kardeef – vorbehalten. Viele Schwestern neideten ihr diesen Status, doch was immer sie darüber dachten, eine persönliche Sklavin Jagangs zu sein war alles andere als eine Gunst. Die Frauen wurden für eine bestimmte Zeit, vielleicht für ein oder zwei Wochen, in die Zelte geschickt, die übrige Zeit jedoch hatten sie weniger anspruchsvolle Pflichten, schließlich schätzte man sie wegen ihres geschickten Umgangs mit der Gabe. Für Nicci existierte eine derartige

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