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Schwester der Finsternis - 11

Schwester der Finsternis - 11

Titel: Schwester der Finsternis - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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gepackt, geschlagen und Geld verlangt. Bitterlich weinend streckte Nicci die Arme nach ihrer Mutter aus und beklagte sich, was für ein schlechter Mensch er gewesen sei.
    Ihre Mutter schlug sie auf den Mund. »Wage nicht, die Menschen zu verurteilen. Du bist noch ein Kind. Wie kannst du dich erdreisten, andere zu richten?«
    Nicci reagierte mit Verblüffung auf den Schlag, der eher überraschend war als schmerzhaft. Die Zurückweisung traf sie viel härter. »Aber, Mutter, er war grausam zu mir – erst hat er mich überall angefasst und dann geschlagen.«
    Abermals gab ihre Mutter ihr eins auf den Mund, das zweite Mal noch härter. »Ich lasse nicht zu, dass du mir mit derart unsinnigem Geschwätz vor Bruder Narev und meinen Freunden Schande machst. Hast du verstanden? Du weißt nicht, was ihn dazu verleitet hat. Vielleicht liegen seine Kinder krank zu Hause und er braucht Geld, um Medizin zu kaufen. Da sieht er plötzlich ein verwöhntes, reiches Kind und wird schwach, weil er weiß, dass sein Kind von deinesgleichen – mit all deinen schönen, eleganten Sachen – um sein Leben betrogen wurde. Du weißt nicht, welche schweren Lasten das Leben diesem Mann aufgebürdet hat. Wage nicht, die Menschen aufgrund ihres Tuns zu verurteilen, nur weil du zu gleichgültig und unempfindsam bist, dir die Zeit zu nehmen, sie zu verstehen.«
    »Aber ich denke…«
    Ihre Mutter schlug sie ein drittes Mal auf den Mund, so fest, dass sie ins Wanken geriet. »Du denkst? Das Denken ist eine widerwärtige Säure, die den Glauben zerfrisst! Deine Pflicht ist es, zu glauben, nicht zu denken. Der Geist des Menschen ist dem des Schöpfers unterlegen. Deine Gedanken – die Gedanken aller – sind wertlos, so wie die gesamte Menschheit wertlos ist. Du musst fest daran glauben, dass der Schöpfer diesen unglücklichen Seelen seine Güte mitgegeben hat. Von Gefühlen, nicht Gedanken, musst du dich leiten lassen. Der Glaube muss dein einziger Pfad sein, nicht das Denken.«
    Nicci unterdrückte ihre Tränen. »Was soll ich also tun?«
    »Schämen sollst du dich, weil die Welt diese armen Seelen so grausam misshandelt, dass sie in ihrer Verwirrung so erbarmungswürdig um sich schlagen! In Zukunft solltest du einen Weg finden, solchen Menschen zu helfen, denn du bist dazu fähig, sie nicht – es ist deine Pflicht.«
    Als ihr Vater an jenem Abend nach Hause kam und auf Zehenspitzen in ihr Schlafzimmer schlich, um nachzusehen, ob sie behaglich zugedeckt war, nahm sie zwei seiner Finger und drückte sie fest an ihre Wange. Obgleich ihre Mutter erklärt hatte, er sei ein schlechter Mann, fühlte es sich besser an als alles andere auf der Welt, als er neben ihrem Bett niederkniete und ihr wortlos über die Stirn strich.
    Ihre Arbeit auf der Straße versetzte Nicci schließlich in die Lage, die Bedürfnisse vieler Menschen zu begreifen. Ihre Probleme schienen unüberwindbar. Was immer sie auch tat, nie schien sich dadurch ein Problem zu lösen. Bruder Narev sagte, das sei lediglich ein Beweis für ihren zu geringen Einsatz. Nach jedem Scheitern verdoppelte Nicci ihre Bemühungen auf Bruder Narevs oder ihrer Mutter Drängen.
    Eines Abends nach dem Essen, sie war bereits mehrere Jahre in der Bruderschaft, sagte sie: »Vater, es gibt da einen Mann, dem ich zu helfen versucht habe. Er hat zehn Kinder und ist arbeitslos. Würdest du ihn bitte einstellen?«
    Niccis Vater sah von seiner Suppe auf. »Warum sollte ich?«
    »Ich sagte es bereits. Er hat zehn Kinder.«
    »Aber welche Art von Arbeit kann er übernehmen? Warum sollte ich ihn einstellen wollen?«
    »Weil er eine Arbeit braucht.«
    Niccis Vater legte seinen Löffel fort. »Nicci, Liebes, ich stelle ausgebildete Arbeitskräfte ein. Dass er zehn Kinder hat, wird den Stahl wohl schwerlich formen, oder? Was kann denn dieser Mann überhaupt? Welche Ausbildung hat er?«
    »Wenn er eine Ausbildung hätte, Vater, könnte er auch eine Arbeit finden. Ist es vielleicht gerecht, dass seine Kinder hungern, nur weil die Menschen ihm keine Chance geben wollen?«
    Ihr Vater schaute sie an, als mustere er eine Wagenladung eines wundersamen, neuen Metalls. Der schmale Mund ihrer Mutter verzog sich zu einem verhaltenen Lächeln, sie sagte aber nichts.
    »Eine Chance? Eine Chance wozu? Er kann doch nichts.«
    »In einem Betrieb so groß wie deinem kannst du ihm doch bestimmt eine Arbeit geben.«
    Mit einem Finger auf den Stiel seines Löffels tippend, betrachtete er ihren entschlossenen Gesichtsausdruck. Er räusperte

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