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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Sander
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schlug die Decke zur Seite und stand auf. Sie hatte keine Zeit, über Deborahs Eskapaden nachzudenken. Ihre Freundin würde sich schon melden, wenn ihr danach war.
    Liz stopfte das Handy zurück in die Tasche und begab sich auf die Suche nach dem Badezimmer. Sie benutzte die Toilette, spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht und kämmte mit den Fingern ihr Haar. Notdürftig wiederhergestellt kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und zog ihre Stiefel an. Neugierig schaute sie sich um.
    Stadlers Wohnung erstreckte sich über mindestens hundertzwanzig Quadratmeter und war erstklassig eingerichtet, wenn man auf sterile schwarz-weiße Möblierung und Statussymbole wie eine überteuerte Soundanlage oder eine ebensolche Kaffeemaschine Wert legte. Die gesamte Ausstattung war vom Feinsten, doch sie wirkte inszeniert. So als wolle Stadler etwas beweisen. Dass er erfolgreich war? Dass es ihm gutging? Nachdenklich warf Liz einen Blick durch die Fensterfront im Wohnzimmer hinunter auf die Straße. Stadler war nicht nur teuer eingerichtet, er fuhr zudem einen Ford Mustang. Und seine Kleidung zierten exklusive Designeretiketten. Das konnte er mit Sicherheit nicht von seinem Polizistengehalt finanzieren. Entweder war er korrupt, oder er hatte geerbt. Oder er verdiente sich etwas dazu, als Callboy für reiche ältere Damen. Das würde passen. Bei dem Gedanken musste Liz lächeln.
    Sie versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, wie der gestrige Abend verlaufen war, doch ihre Erinnerung endete vor ihrer Haustür, im Wagen, überrollt von einer Welle der Verzweiflung angesichts der Aussicht, die Nacht in ihrer Wohnung zu verbringen, allein mit ihrem Schmerz. Sie wusste noch, dass sie Stadler angerufen hatte, weil ihr niemand sonst eingefallen war, den sie um Hilfe bitten konnte, ohne viel erklären zu müssen. Und sie erinnerte sich auch noch, wie er an ihrem Seitenfenster aufgetaucht war und sie zu seinem Wagen gebracht hatte. Danach endete der Film.
    Liz wandte sich vom Fenster ab. Manchmal war es besser, sich nicht zu erinnern. Sie fand ihre Jacke auf einem Barhocker in der Küche. Auf dem Tresen lag ein Zettel:
    Ich hoffe, du hast gut geschlafen.
    Ich melde mich später bei dir. Georg.
    Bei dir.
Liz konnte sich nicht erinnern, Stadler das Du angeboten zu haben. Aber da sie sich an alles andere ebenfalls nicht erinnerte, musste das nichts heißen. Vielleicht dachte Stadler ja auch, dass es angemessen war, jemanden zu duzen, der auf seinem Sofa übernachtet hatte.
    Liz fuhr mit einem Taxi nach Hause. Ihr Wagen stand noch dort, wo sie ihn abgestellt hatte. Sie ging hinauf in die Wohnung, duschte ausgiebig und zog sich um. Als sie nach ihrer Jacke griff, überkam sie erneut eine Welle von Traurigkeit. Sie schloss die Augen, kämpfte gegen den Schmerz, der sie von innen her aufzufressen schien. Wenn nur Deborah noch da wäre! Wenn jemand bei ihr wäre! Jemand, der das alles mit ihr durchstand. Wie viel leichter wäre es zu ertragen.
    Hendrik.
    Ihr großer Bruder.
    Es war irrsinnig, aber sie wünschte sich Hendrik herbei. Er würde wissen, was zu tun war, er würde die richtigen Worte finden. Er würde die Last mit ihr gemeinsam tragen. «Kopf hoch, Liz», würde er sagen. «Das kriegst du hin. Schließlich bist du nicht allein. Ich bin bei dir, ich weiche nicht von deiner Seite. Wir beide bleiben zusammen, für immer.»
    Liz ließ sich auf den Boden sinken, den Rücken gegen die Wand gelehnt, das weiche Fell der Jacke vor den Bauch gepresst. «Hendrik», murmelte sie. «Warum hast du mich im Stich gelassen?»
    Mit einem Mal musste sie an ihren achten Geburtstag denken. Es war ein heißer Augusttag gewesen. Wie in vielen Jahren fiel auch dieser Geburtstag in die Sommerferien, Liz hatte ein großes Fest im Garten veranstaltet und all ihre Freundinnen geladen, die nicht verreist waren. Sie hatten sich mit Wasserpistolen bespritzt, Blinde Kuh und Verstecken gespielt. Sie war überglücklich gewesen, nicht nur, weil die Feier so schön war, sondern vor allem, weil sie endlich eine Barbie-Puppe bekommen hatte. Bisher hatten ihre Eltern es nicht erlaubt, weil sie von dieser Art Puppe so gar nichts hielten, doch nun hatten sie endlich nachgegeben. Die Barbie hatte einen Ehrenplatz auf der Wohnzimmerkommode, wo sie in einem geblümten Kleid thronte und durch das Fenster das Geschehen im Garten beobachten konnte.
    Irgendwann, als ihr Vater gerade den Grill anzündete und die anderen Mädchen dabei halfen, den Tisch auf der Terrasse zu decken, tauchte

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