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Schwestern der Angst - Roman

Schwestern der Angst - Roman

Titel: Schwestern der Angst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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nie gewagt, ein so männliches Getränk zu bestellen. Der Whiskey schmeckte wie geräucherte Schärfe.
    Die Unsicherheit, die mir im Magen lag, schlug in Hunger um. Ständig griff ich nach den Nüssen im gläsernen Kelch auf der Theke. Das Lokal war bald voll. „Was machst du eigentlich hier?“, fragte mich Robert plötzlich. Meine Augen wurden klein und blickten an ihm vorbei. Ich berührte den Rücken seiner den Kelch mit Erdnüssen befüllenden Hand.
    „Und du?“, fragte ich zurück, grinste und nun schaute er an mir vorbei.
    „Ich arbeite hier“, sagte er. „Es freut mich, dass du mal vorbeischaust!“ Er streifte meinen Unterarm. Da entdeckte ich in einer Gesellschaft am anderen Ende der Theke meine neueste Flamme, den Unbekannten, der mich versorgt hatte. Paul. Wie die Frau hat auch der Mann zwei Körper: einen zum Anschauen und einen zum Begreifen. Und meist nur sprühenden Geist, wenn zum Greifen nahe.
    Jetzt war er weit weg. Er sprach. Er hob seine Hand und zeigte auf die spindeldürren Gazellen auf der Tanzfläche. Dann warf er die rechte Hand mit leichter Geste hoch und stürzte die Stirn hinein. Ich hörte seinen bedauernden Unterton, als er sagte: „Wie könnt ihr nur alles Weibliche sächlich machen.“ Zu wem sprach er?
    Die Felswand glitzerte unter den bunten Lichtern. Auf den Schienen, die zwei Jahrzehnte zuvor unter Tage geführt hatten, waren die Hunte zu Sitznischen ausgestattet. Der Stollen war zugemauert. Früher hatten die Bergarbeiter in den Wohnblöcken zwischen Fels und Straße und See gewohnt. Nun setzte sich die Szene im Van Dam aus Fashion, Börse und Advertising zusammen. Die Leute reisten aus den umliegenden Städten an. Niemand rauchte, als hätte man sich damals schon amerikanischer Strenge angepasst. Die Menge von hochgewachsenen, gut gelaunten Menschen schien wie aus dem Paradies zu einem Fest in das Bergwerk herabgestiegen zu sein, um diesen unglückslosen Ort zu feiern. Die Menschen im Van Dam waren hier, um das Leben zu erhalten. Das Alter war in diesen Kreisen längst eine Frage der Mode. Frauen wählten sich das jeweilige Verfallsstadium ihres Körpers täglich neu, verjüngten sich oder alterten und trugen dazu passend Spaghettiträger oder langärmelige Blusen. Ich war jung, aufmerksam und fiel nicht weiter auf bei der diskreten Beleuchtung. Ich trug einen Fummel, den meine Oma höchstens als Unterrock zugelassen hätte. Das Kleid hatte zwar Knöpfe, kleine seidige Knöpfe in großen seidigen Schlaufen. Der Kenner entdeckte jedoch bald, dass ein Ruck genügte, um sie alle auf einmal zu öffnen. Meine Füße waren fast nackt. Unglaublich, mit welchem Selbstverständnis die großen Füße in kleine Schuhe passten. Wie auf senkrecht aufgestellte Folterbänke waren sie gespannt. Hilflos wie kleine Tierchen lugten die Zehen unter den Bändchen hervor. Paul trug geschlossene Schuhe, Hosen, Sakko.
    Dann entdeckte ich Vater, den zweiten Mann, der seinen erstklassigen Körper in einen erstklassigen Anzug eingebaut hatte. Paul stieß mit ihm auf neue Bekanntschaft an und Vater ließ sich von ihm noch Luigi nennen. Vater mochte Italien, aber trotzdem freute er sich über das Erdbeben mit Epizentrum im Friaul, denn es würde die Fremdenverkehrssaison der Nachbarregionen retten. Freilich bedauerte er das menschliche Leid, das die Naturkatastrophe angerichtet hatte.
    Vater war ein dunkler Typ und suchte eine helle Frau. Die Griechin war eine gute Wahl, sie verstand den Doppelsinn. Doch jetzt wollte ich nicht von ihr aufgespürt werden. Mein Kehlkopf hüpfte, weil ich vor Aufregung schlucken musste. Wenn Vater mich entdeckte, würde er mich ignorieren, würde er mich öffentlich beschimpfen und mich blamieren? Oder sich schämen, weil ich ihn blamierte? Da erhaschte Paul meinen Blick. Er wirkte erfreut, doch bevor er noch etwas zu Vater sagen konnte, legte ich den Zeigefinger auf meine geschlossenen Lippen. Paul nickte mit einem Augenzwinkern. Ich hatte einen Komplizen in ihm. Immer wieder lächelte er herüber, und plötzlich stand er kurz neben mir, mich mit seinem Rücken vor der Entdeckung durch Vater schützend. Er streifte meinen Nacken. Er ließ die Hand auf dem Schulterblatt liegen. Ich versuchte nicht zu erstarren, keinen Gedanken an seine Hand zu verschwenden, sie nicht zu spüren.
    „Wenn du willst, bringe ich dich nach Hause“, sagte er. Ich schüttelte die Locken in den Nacken, ließ sie durch die Finger schlängeln und nahm eine Strähne, spielte damit. Ich

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