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Schwestern der Angst - Roman

Schwestern der Angst - Roman

Titel: Schwestern der Angst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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entdecken. Ein Brennen im Fortpflanzungsapparat deutete darauf hin, dass ich hart hergenommen worden war. Ich blutete. Es tropfte. Ich fand Risse im Gewebe. Ich klemmte mir ein Handtuch zwischen die Beine. Ich hatte mir das alles romantischer vorgestellt, aber das Leben ist hart.
    Auf der Toilette brauchte ich eine Weile, bis ich entspannt loslassen konnte. Ich legte die Hände in die Seite und schob sie aufeinander zu, bis sich die Fingerspitzen unter dem Nabel berührten. Ich war stolz auf mich, Paul sexuell erweckt zu haben. Obwohl ich in meiner Ohnmacht einsam und unerreichbar gewesen war, hatte er mich genommen, wie ich war. Ich nahm das Handtuch weg, wollte mir den Beweis vor Augen führen. Das Blut war verschwunden, es gab keine sichtbaren Indizien. Doch ich wusste es besser.
    Ein Motorrad tuckerte draußen vorbei. Das Licht des Scheinwerfers strich über das Fensterbrett. Der Kegel entfernte und verjüngte sich, als das Gefährt, niedertourig brummend, hügelaufwärts knatterte und auf der Kuppe verglomm.
    Als ich das Zimmer verließ und die schmale Treppe hinunterstieg, hörte ich ein Schluchzen. Vater war körperlich attraktiv, sportlich, männlich wie Paul, aber sehr emotional. Er sonnte sich in Pauls Licht, als wüchse er unter den Strahlen dieses Mannes erst heran. Seine Hilflosigkeit, den biologischen Gesetzen entgegenzuwirken, dass dieser Mann seine Mädchen gegeneinander aufbrachte, kostete ihn jetzt aber die Beherrschung.
    Das Holz knarrte und verriet mich. Vater tobte nicht, er kam von der Veranda herein und stellte sich zum Treppenabsatz, sah mir entgegen, betrachtete mich, wie ich die Treppe herunterkam, und fuhr sich mit der Hand den Haaransatz im Nacken hinauf. Er fragte nicht, ob ich mich verletzt hätte, er schwieg und schüttelte den Kopf. In seinen Augen stand das Wasser, mir reichte es bis zum Hals. Er wand sich vor Scham und ich sah, wie die Wangenmuskeln hervortraten, als ich an ihm vorbeischritt, weil er die Zähne zusammenbeißen musste und die zu Fäusten geballten Hände an den Körper pressen, um mich nicht aus Verzweiflung und Wut zu schlagen. Paul hatte gepetzt. Er hatte Vater gegen mich aufgehetzt.
    Ich war zum Schandweib gestempelt, das sich seinen Freunden an den Hals warf. Paul galt als unschuldig und nur ich als die Verführerin. Ich schwieg und fügte mich in diese Rolle. Ich hob stolz das Haupt, aber ich fühlte mich klein und bucklig. Ich hinkte sogar, zog meinen linken Fuß hinter mir her, als wäre er verklumpt.
    Ich schlich in den Garten und hockte mich hinter die Büsche. Glühwürmchen stoben auseinander. Ich beobachtete das Haus, sah Marie im Fenster. Das rot aufglimmende Licht ihrer Zigarette. Die raupenartigen Körper der Glühwürmchen erinnerten mich an wulstige Lippen. Küsse sind das, was von der Sprache des Paradieses übrig geblieben ist, schrieb Joseph Conrad. Ich saß am Rande des Paradieses und war das Schandweib, nur weil ich auf Paul stand. Maries Kopf tauchte immer wieder im Fensterausschnitt auf. Die Schatten ihrer Kleider flogen durch das Licht wie Geister, sie packte die Koffer. Marie verstaute auch meinen neuen Badeanzug für die Frankreichreise. Paul war nicht zu sehen. Auch sein Auto war verschwunden. Vater trat vor das Haus, rief meinen Namen, aber viel zu leise, als dass ich mich gerufen hätte fühlen können. Die Griechin folgte ihm. Sie setzte aber nur einen Fuß über die Schwelle, streckte ihren Arm aus, nahm seine Hand und zog ihn wieder zurück ins Haus. Die Tür wurde geschlossen. Ich hörte, wie der Schlüssel umgedreht wurde. Ich war also nicht nur im symbolischen Sinne ausgeschlossen, auch das Licht wurde mir noch abgedreht, ich sollte wohl gar nicht mehr nach Hause zurückfinden. Ich streifte das Haar aus meiner Stirn.
    Die Nacht verbrachte ich im Freien. Irgendwann hörte ich wieder das Tuckern, das lauter werdende Knattern und das Röhren des Motorrads. Der Lichtpunkt wuchs an, schweifte aus und warf sich auf den Strauch, unter dem ich lag, streifte mich, blieb auf mir liegen, streichelte über mich wie eine Zunge aus Licht. Der Nachbarsjunge aus dem Van Dam stellte den Motor ab und schob das Motorrad zur Seite. Robert kam auf mich zu und ein Schwall Van Dam umhüllte mich. Es war weit nach Mitternacht, er hatte bis jetzt hinter der Theke gestanden. Er legte sich zu mir und verbrachte den Rest der Nacht mit mir. Im Morgengrauen waren unsere Körper ausgekühlt, was mir unangenehm war, fremd, abstoßend. Ich benützte Robert zur

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