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Schwestern der Angst - Roman

Schwestern der Angst - Roman

Titel: Schwestern der Angst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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zu. Ich weitete unwillkürlich die Augen vor Schreck.
    „Er tut dir nichts“, sagte Marie. „Er ist Arzt. Du brauchst dich doch nicht zu fürchten.“
    Ich empfinde Angst als eine Kränkung und schämte mich für dieses Gefühl. Mit Paul würde ich es aufnehmen. Nein, er sollte meine Schwäche nicht sehen.
    „Natürlich“, sagte ich unter Maries Ermutigung, „wieso nicht mit Paul sprechen, jederzeit.“
    Heute weiß ich, hätte ich mich verweigert und nicht verstellt, hätte sie mich weiter in den Armen gehalten, so aber legte sie mich in die schweißnassen Kissen zurück, drückte mir einen spitzen Kuss auf das Haar und folgte der Hand des Herrn, die sich auf ihre Schultern gelegt hatte. Dazu hauchte Pauls dumpfe Stimme durch den Raum: „Marie, du hast getan, was du konntest. Komm, wir gehen.“
    Marie seufzte und hob ihre hinterhältigen Pfoten von mir, um die letzten Tränchen wegzutupfen, die sie über mein Unglück aus sich herausgepresst hatte, bevor sie sich diesem Paul zuwandte, mein Gerippe dem Lager überließ und diesem Mann mit dem Schnauzer folgte.
    Dann war ich allein wie immer und fragte mich, wieso ich nicht einfach auf Marie verzichtete – sie war an mir gar nicht interessiert, nur an ihrer Freiheit.
    Ein paar Stunden später war Marie schon wieder in meinem Zimmer. Nun kam sie mit Leintüchern und frisch gewaschenen Waffeltüchern, die sich hart anfühlten. Auch ein Kleid brachte sie mit. Anfangs freute ich mich über das Geschenk, bis ich entdeckte, dass es ein altes, verwaschenes Sommerkleid war. Ausgemustert wie wohl ich auch.
    Sie schlich hinter Paul her. Er klimperte mit etwas herum. Dieses beiläufige Klimpern verriet, dass er noch etwas vorhatte. Ich fühlte mich schwach. Ich versuchte ihn zu erkennen, doch war mir schwindelig. Der scharfe Geruch nach Medizin kurbelte meinen Geist an und ich riss erneut die Augen auf, als Paul nun plötzlich wieder neben mir war, kniend ein steril verpacktes Spritzenset aufriss und an meinem Arm herumnestelte, sich Platz in meiner Beuge schaffend, um eine Nadel zu setzen. An einer Art Garderobenständer hing ein Beutel mit Flüssigkeit, in dieser Flasche steckte ein Schlauch, und schon spürte ich den Stich und dämmerte wieder in die Schwäche, als die Nährflüssigkeit in meine Vene einsickerte.
    Ich schlief die ganze Nacht durch und manchmal war mir, als hörte ich ein Bächlein fließen. Ein Murmeln und Gurgeln ging durchs Zimmer, mündete blubbernd in auf- und abschwellendes Tosen, das Wellen wich, die über Sand strichen. Ein Besen kehrte mein Haar zur Seite, strich über mich. Ein Wischen unter meinen Füßen, ein Schrubben an meinen Fußsohlen, ein Knipsen an meinen Nägeln und schließlich roch ich den Duft frisch gebügelter Wäsche, die sich über mein behäutetes Gerippe breitete und mich umhüllte.
    Als ich erwachte, war der Spuk vorüber. Das Zimmer war blitzsauber geputzt und ich lag frisch angekleidet im verwaschenen Blumenkleid im Bett. Ausgeruht sah die Welt anders aus. Ich wollte Marie verlassen und noch am selben Tag eine Fähre zum Festland nehmen. Sollte sie mit Paul herummachen, mir war das egal. Mein Arm war eingewickelt. Ich nahm den Verband ab, eine Kanüle steckte in der Haut und war festgeklebt. Ich zupfte an den Rändern des Pflasters. Der Kleiderständer war zur Wand geschoben. Die Flasche mit der Nährflüssigkeit lag im Müll darunter und ebenso der weiße Schlauch, wie ein dünner, biegsamer Strohhalm.
    Der Verstand setzte wieder mit all seiner Skepsis ein. Ich fragte mich, wieso nicht Marie die Nadel gesetzt hatte. Man hatte mich ausgezogen und gewaschen, man hatte meine Haut perforiert und mich mit Medizin vollgepumpt. Ich spürte das Blut Schwall für Schwall vom Herzen wegströmen, aus den Venen in gleichmäßigen Schüben aufsteigen. Wer weiß, was Paul mit mir anstellte. Vielleicht wäre es ihm recht gewesen, wenn ich an einer Embolie krepiert wäre, damit er Marie ungestört genießen könnte. Draußen vor dem Bungalow plauderten zwei Herren, lachten, was mich störte. Dann wurde ein Motor gestartet und das Kühlaggregat eines Vans in Betrieb genommen, der vor dem Haus parkte. Das Rattern verströmte mit seinem Rhythmus besinnlich meditative Atmosphäre. Sicher würde Marie bald wieder auftauchen, vielleicht mit frischen Früchten und duftendem Gebäck.
    Da roch ich die giftigen Abgase. In kurzer Zeit war die Luft verpestet. Mein Herz klopfte wild, ich stellte mich auf, um aus dem Fenster zu schauen. Der Auspuff

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