Schwestern der Angst - Roman
mein Pudel nicht für den Werbespot in Frage kommen?
„War nicht so gemeint“, sagte die Chefin, „doch alle Pläne sind verworfen worden, statt eines Hundes brauchen wir jetzt eine Katze. Katzen und Kinderfutter eignen sich besser zur Bewerbung der Cracker. Wir werden also ein Katzencasting starten. Und zwar heute, und zwar sofort. Die englische Darstellerin wird mit Katze posieren. Fraglich ist noch das Gewand der Darstellerin. Streifen sind für die Hundeversion gut möglich, aber für die Katze? Ein Kleid mit Punkten ist ideal. Ihr Kleid also! Ziehen Sie es bitte aus und nehmen Sie inzwischen den Kittel der Putzfrau.“
Die Büros der Produktionsfirma lagen unter dem Dach. Die Wände waren dunkelgrün gestrichen, um das vulnerable Gemüt zu beruhigen und für ein leistungsfähiges Klima zu sorgen. Man attestierte mir, ich verstünde schnell und hätte das richtige Tier gefunden, wenn man nicht die Gattung geändert hätte. Ich hasse es, wenn man Entscheidungen über meinen Kopf hinweg trifft.
Ich solle bitte erst einmal Kaffee kochen, sagte die Chefin. Ich konnte sehr gut Kaffee kochen. Kaffee kochen war etwas ganz Normales für mich. In diesem Produktionsbetrieb war es jedoch eine Demütigung, dafür abgestellt zu sein, weil üblicherweise sogar eine Kaffeemaschine und das Kaffeepulver als Product Placements Geld verdienen. Ich war Produktionsassistentin und nicht einmal Ressource. Der Befehl machte mich zornig. Das Geflüster der Chefin mit einer Geschäftsassistentin kroch durch die Gehörschnecke und die Knöchelchen trommelten Gerüchte, dass ich in der Firma unbeliebt sei und verschwinden solle. Ich trollte mich mit dem Pudel in die Küche, kochte den Kaffee und servierte ihn den Herrschaften ins Besprechungszimmer. Die Auftraggeber des Kind-Hunde-Katzen-Futters gehörten zu einem großen Konzern. Als ich dem Marketingleiter den Kaffee reichte, sagte er mit geschürzter schmaler Oberlippe, wie einen Akzent setzend: „Übrigens danke ich für das getupfte Kleid, es ist ein hervorragendes Kostüm. Ich hätte noch eine Herausforderung für Sie. Möchten Sie die Herausforderung annehmen?“
Die Herausforderung bestand darin, wieder hinunter auf die Straße zu gehen zum nächsten Fleischhauer um die Ecke und Beef Tatar für die Tiere zu kaufen, die zum Casting im Atelier auftauchen würden. Der Drehtag war umgemodelt worden und das Shooting verschoben. Am Nachmittag würden Katzen gecastet, vielleicht ergaben sich Proben mit dem Darstellerkind noch danach.
Terminverschiebungen und Änderungen in der Besetzung, das Umschreiben des Drehbuches und Austauschen von Requisiten waren nichts Ungewöhnliches beim Werbefilm, das ging ruckzuck. Nur ich wurde nicht informiert. Man behandelte mich wie ein kleines Kind und glaubte, ich würde bei allem widerstandslos mitmachen. Sogar eine Katzenpsychologin war organisiert worden, ohne mich zu fragen, ob ich diese Aufgabe nicht übernehmen könnte. Ich streichelte gerne diese anmutigen Tiere.
Ich wunderte mich daher auch nicht, als aus dem Lift die erste Katzenbesitzerin mit Katzenkoffern ausstieg und viel zu früh dran war. Die Katzen mussten nüchtern zum Studio gebracht werden, also hungrig, damit sie beim Casting durch Futter gefügig wären. Ich war in Eile, das beste Fleisch sollte ich besorgen.
Das überraschte Gesicht des Fleischhauers blieb für Sekunden auf mich gerichtet, als hätte ich eine grobe Unanständigkeit von mir gegeben. Ich wollte doch nur zehn Kilo Lungenbraten, fein gehackt. Der junge Mann hatte eine Glatze und nackte Augen, die mich ausgiebig anstierten und langsam mit Empörung durchbohrten. Das Geschäft war hygienisch weiß gehalten, die Vitrine aus Glas und poliertem Edelstahl. In der Auslage drehte sich ein Metallstern über dem Schlachtblock. Das rote, von Fettäderchen marmorierte Fleisch lag aufgefächert auf kaltem Stein, Innereien waren zu einem Bouquet angeordnet und Rindsknochen mit und ohne Mark bildeten ein Bett für Klauen. Fasane und Kapaune hingen mit den Köpfen nach unten in der Auslage über dem Metallblock. Ob dieser zart gebaute junge Mann wirklich selber schlachten konnte, fragte ich mich. Sein scharfer Blick ging mir unter die Haut. Mit einem weiteren Augenaufschlag war ich gemustert und gewogen und für zu leicht befunden, es war klar, dass er nun fragte: „Wozu braucht ein so zartes Geschöpf wie Sie zehn Kilo faschierten Lungenbraten?“
„Das ist nicht für mich“, sagte ich froh, „das ist für
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