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Schwestern der Angst - Roman

Schwestern der Angst - Roman

Titel: Schwestern der Angst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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Katzen.“
    Dem Fleischhauer verschlug es die Sprache. Mit fast mütterlich gütig gerunzelter Stirn wiederholte er ungläubig: „Für wen bitte?“
    Ich antwortete nun direkt und wahrheitsgemäß: „Für Katzen.“
    Der Fleischhauer rang mit meiner Antwort und griff nach dem Beil, begann nachdenklich einen Fleischbrocken klein zu hacken. Dann sagte er: „Ich verkaufe keinen Lungenbraten an Katzen. Ich bin ja kein Christ.“
    Vielleicht glaubte er, Christen würden jedes Fleisch opfern und Rind an Katzen geben. Ich mag Kühe grundsätzlich. Traurigkeit ergriff mich, als ich an die friedlich wiederkäuenden Kühe auf den Weiden meiner Kindheit dachte, und ich solidarisierte mich augenblicklich mit der Empörung des Fleischhauers, diese Kühe zu töten, nur um sie an Katzen zu verfüttern. Doch ich brauchte Fleisch, und wenn es vom im Schlamm gewälzten Allesfresser war.
    Der Fleischhauer zog die Augenbrauen zusammen und fixierte mich, als könnte er Gedanken lesen. Die Dekoration der Nature morte im Schaufenster und wir zwei Lebendigen in der Fleischhauerei – ach, die Stimmung mutete so diskret intim an, dass mir die Tränen in die Augen stiegen. Ich hätte nicht „nein“ gesagt, hätte er mir jetzt eine Tasse Blut angeboten, um noch ein wenig länger bei ihm zu bleiben.
    „Okay“, sagte er, „wir werden einen Ausweg finden. Aber ich werde niemals ein Tier töten, um seine besten Stücke an ein Raubtier zu verfüttern, das auch Aas frisst“, sagte er. Dann verschwand er, und als er wieder auftauchte, brachte er eine Kiste mit Gekröse und Fleischwürfeln mit.
    Er legte weißes Papier unter den Fleischwolf und begann die Brocken in die Maschine zu stopfen. Die Masse schob sich aus dem Fleischwolf, schlängelte sich in dünnen Nattern aus dem Trichter und häufte sich im Napf zur Frisur meiner Chefin. Immer wieder streifte der Fleischhauer die Masse ab und putzte den Rüssel des Fleischwolfes für die nächste Portion aus. Die Masse duftete nach Majoran und Gewürzen. Der Fleischhauer sorgte dafür, dass ausreichend rotes Faserfleisch beigemengt war, damit es dem echten Beef Tatar ähnlich war.
    Der Fleischhauer wollte mir für das mindere Fleisch nichts verrechnen. Ich bat ihn aber um eine Rechnung für den Lungenbraten. Er war ein sehr höflicher und ein ehrlicher Mann. Er lehnte zunächst ab. Ich bestand darauf, dass er das Geld nehme. Er nahm mich ernst. Also schlug er vor, die Summe eines Tages, wenn mein Stress vorüber sei, bei einem gemeinsamen Abendessen durchzubringen. Gerne überreichte ich ihm die Visitenkarte der Produktionsfirma. Ja, ich mag solche Geschäfte! Ich mochte den Fleischer. Schließlich hatte ich einst für Marie die Mittagsmenüs in einer Fleischhauerei liebend gern gekocht.
    Die Chefin riss mir das Paket regelrecht aus der Hand, verlangte die Rechnung und meinte, alles gehe drunter und drüber, die Katzen seien neurotisch, an die fremde Umgebung nicht gewöhnt. Ich wurde mit der nächsten Aufgabe betraut. Anstatt die Katzen zu besänftigen, sollte ich das Darstellerkind vom Flughafen abholen. Ich hatte nicht einmal Zeit, mich um meinen Pudel zu kümmern. Ich musste mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Flughafen fahren. So sparte man Kosten, indem man mich ausbeutete. Die Firma spendierte den Luxus eines Taxis nur für die Rückfahrt, damit das Darstellerkind bei guter Laune gehalten würde und der Ruf des Unternehmens nicht beschädigt. Meine Nerven waren der Firma egal, weil ich nicht ins Bild kam.
    In der Ankunftshalle des Flughafens hatte ich noch genügend Zeit. Ich bestellte einen Espresso und mein Blick fiel in den Strudel, den der Löffel in die Corona des schwarzen Sudes rührte. Als blickte ich in die Spindel meines Treppenhauses hinab, sah ich den Körper Roberts fallen, fallen, fallen. Ich zog den Löffel aus der Flüssigkeit, legte ihn hin und trank einen Schluck, bezahlte und ließ den Rest des Espressos stehen.
    Das Flugzeug hatte Verspätung. Ich teilte das in einer SMS der Chefin mit. Sie antwortete sofort mit dem Kommentar „Katastrophe!“. Mich konnte die Warterei nicht aus der Ruhe bringen. Das Warten am Flughafen lenkt ab, wenn man zu Hause wirkliche Probleme hat. Ich schrieb den Namen der Darstellerin auf ein Blatt Papier. Als die Maschine gelandet war, stand ich mit anderen Chauffeuren und Abholern hinter dem Geländer Spalier und fixierte die Zone der Ankommenden. Ich hielt das Schild hoch und überragte die wartende Menge.
    Als dann die zwölfjährige

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