Schwestern der Nacht
runtergerutscht war. Ich rauchte wie ein Schlot, um meinen Appetit zu mindern; meine rechte Hand wurde zu einer nikotinfleckigen Klaue. Völlig kraftlos ließ ich ab und zu die Zigarette fallen und brachte dadurch das Bettzeug zum Schwelen. Bei solchen Gelegenheiten nahm mich die Haushälterin kräftig ins Gebet, aber was konnte sie tun?
Wenn ich tatsächlich einen Brand auslöste, würde das Atelier bis auf die Grundmauern abbrennen, und das wäre gewiß mein Ruin ... aber ich mußte einfach weiterrauchen.
Ich befürchtete, daß die Haushälterin mir keine Zigaretten mehr holen würde. Ich brauchte den Geschmack dieser scharfen, trockenen Blätter; nur so konnte ich die Einsamkeit, das Entsetzen und die Zwangsvorstellungen ertragen.
Eine Zeitlang machte ich eine Haferschleimdiät, brauchte aber bald etwas Gehaltvolleres, damit die Zigaretten noch gut schmeckten, und nahm von Zeit zu Zeit eine in gutem Fett gebratene Hühnerbrust oder ein Viertel eines mit Zucker bestäubten Berliners zu mir.
Zu guter Letzt konnte ich gar nichts mehr festhalten. Ich ließ alles fallen, was mir in die Finger kam — einen Wasserkrug, einen Aschenbecher, sogar den teuren antiken deutschen Füllfederhalter, den ich in Chicago gekauft hatte.
Trotzdem konnte ich das Rauchen nicht aufgeben.
Neben meinem Bett stand immer eine große Dose >Westminster<-Zigaretten, die allerdings stets viel zu schnell leer war. Das alte Mädchen gewöhnte sich an, über die verrauchte Luft zu schimpfen und die Fenster aufzureißen. In einer eisigen Februarnacht machte sie sie nicht wieder richtig zu, und weil ich fror, stand ich auf, um sie ganz zu schließen. Ich hatte einfach nicht mehr die Kraft!
Ich denke, das war mein absoluter Tiefpunkt.
In jenen Tagen bekam ich keinen Besuch aus dem Reich der Toten. Nein, damals beschäftigte mich die Sexualität; seine Sexualität und meine.
Wovon träumen Männer, die einmal Soldaten gewesen sind und getötet haben? Woran denken Sie, wenn sie abends in einsamen Schlaf fallen — an jene, die sie, Mann gegen Mann, in die Knie gezwungen haben? Oder jene Krieger der Antike, die nackt unter den Laken von ihrer Jugend träumen, von den prallen jungen Muskeln, den Kämpfen... alles längst vergangen? Woran denken sie im Bett?
Ich dachte an die Berührung seines Körpers, der vom Schweiß der Frau durchtränkt war, die er kurz vorher bestiegen hatte...
Ich dachte an mich selbst, wie ich mich Männern nackt hingegeben habe, um das Material zu sammeln, das ich so dringend brauchte. Meine Handflächen spüren immer noch das Fleisch dieser Männer, denen ich mich ausgeliefert habe...
Ich mußte doch nicht vor Gericht erscheinen. Ein Gerichtsdiener kam, um mir Fragen über unser gemeinsames Eheleben zu stellen. Er erkundigte sich in erster Linie nach den sexuellen Kontakten — oder besser dem Mangel daran —, seitdem mein Mann bei mir impotent geworden war. Den Arzt unserer Familie hatte man offenbar schon vernommen, so daß die meisten Fragen sehr sachbezogen waren. Es tauchten ein paar medizinische Fachausdrücke auf, die ich nicht verstand, aber eigentlich brauchte ich nur zu nicken.
Statt des Wortes >Spasmus< verwendete er das deutsche Synonym >Krampf< und bekam dabei einen ganz roten Kopf.
Möglich, daß er eine verdorbene Fantasie hatte; möglich, daß er mich nackt vor sich sah.
Weder ihn noch unseren Familienarzt trifft die geringste Schuld, denn woher sollten sie den wahren Grund für meine Furcht vor einer Schwangerschaft kennen?
Niemand kennt ihn. .. außer uns und dem versoffenen Arzt in Mexiko, der uns um zweitausend Dollar betrogen hat. .. nur wir drei wissen von dem Baby, das ohne Knochen auf die Welt kam, dem Baby, das wir aus dem Weg schaffen ließen.
Es war verrückt, im neunten Monat meiner Schwangerschaft auf eine Reise durch Mexiko zu gehen! Weshalb sind wir nicht nach Japan zurückgeflogen? Dann wären wir niemals diesem Arzt in die Klauen gefallen... dann hätte ich meine Hände nicht mit dem Blut meines Neugeborenen besudeln müssen.
Zwei Wochen nach der Geburt hatte ich mich wieder weit genug erholt, um Sex haben zu können. Ich lag unter meinem Mann, in seinen Armen, in einem Hotel, das wie eine Berghütte neben einem See lag.
Wir erreichten gerade den Höhepunkt ... da bekam ich einen Scheidenkrampf. Mein Körper umklammerte seinen wie eine Schraubzwinge ... er schrie vor Schmerz ... auch ich litt Todesqualen. Irgendwie gelang es mir, den Telefonhörer zu fassen, ineinandergebohrt,
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