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Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13

Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13

Titel: Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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begrabschen. Ich entspannte mich, und der Ast entspannte sich ebenfalls. Ich versuchte erneut aufzustehen und wurde wieder zurück auf den Sitz gedrückt. »Schon gut, schon gut, du hast gewonnen«, brummte ich.
    In diesem Augenblick erschien Großmutter Kojote. »Wird er frech, ja? Keine Sorge. Ich will nur nicht, dass Fremde in meinem Labyrinth herumlaufen.«
    Sie lächelte mich an – es war das erste Mal, dass ich sie lächeln sah –, und ich fuhr zusammen. Ihre Zähne waren rasiermesserscharf und glitzerten im Halbdunkel wie Stahl. Menollys Reißzähne wirkten wie Milchzähne im Vergleich zu Großmutter Kojotes Mund voller metallener Klingen. Entweder bemerkte sie meine Reaktion nicht, oder sie zog es vor, sie zu ignorieren – stattdessen hielt sie mir ein Buch hin. »Das kannst du haben. Es wird dich die Geschichte der Geistsiegel lehren, zumindest genug davon, um dir begreiflich zu machen, womit du es zu tun bekommst.«
    Ich murmelte ein Dankeschön und nahm das Buch. Es war von Hand in Leder gebunden – Drachenleder. Ich strich mit den Fingern darüber und spürte das tiefe Grollen, das noch von der Haut ausging. Ich hatte schon sehr lange nichts mehr von einem erschlagenen Drachen gehört. Das Buch musste uralt sein. Vorsichtig legte ich es beiseite und ließ den dritten Knochen auf den Tisch fallen. Großmutter Kojote befühlte ihn kurz und schüttelte dann den Kopf.
    »Weit draußen, in der Nähe der Großen Mutter Rainier, wirst du eines der Siegel finden. Sofern du vor den Kundschaftern des Seelenfressers dort bist.«
    »Wie sieht das Siegel aus?«, fragte ich und dachte schon an den Mount Rainier – der Nationalpark war riesig.
    Großmutter Kojote schnaubte. »Ein Talisman der Energie, ein Wirbel von Seelen. Such den Anhänger am Hals eines Mannes, der als Tom Lane bekannt ist.« Ihre Augen begannen sich zu drehen, und ich blinzelte, weil sie plötzlich aufblitzten wie ein Kaleidoskop.
    Ein Wächter oder ein unwissender Komplize des Schicksals? »Ist er menschlich?«
    »Ja und nein, aber mehr werde ich dir nicht sagen. Und nun zur Rechnung für meine Dienste.«
    Ich zuckte zusammen. Es war ihr gutes Recht, eine Bezahlung zu fordern. Ich hoffte nur, es würde nichts sein, das ich zum Überleben brauchte. »Was verlangt Ihr?«
    Sie lächelte mich faul an. »Mir fehlt noch der Fingerknochen eines Dämons.«
    Oh, na klar, das klang machbar. Ich hustete. »Ich kenne keine Dämonen. Und ich bezweifle ernsthaft, dass sie mir einfach so einen Finger überlassen würden.«
    »Eine Weissagung bekommst du umsonst, meine Liebe: Im Lauf der nächsten Jahre wirst du viel mehr Dämonen kennenlernen, als du dir je hättest träumen lassen. Falls du den bevorstehenden Angriff überleben solltest, wirst du reichlich Auswahl an Fingern haben. Bring mir einen von deinem Lieblingsdämon«, sagte sie. »Und wenn nicht, dann wird einer deiner eigenen Finger durchaus genügen.«
    Ehe ich noch eine Erwiderung stottern konnte, fand ich mich mitten auf der Lichtung wieder – allein. Ich wirbelte herum und suchte nach Großmutter Kojote, doch sie war verschwunden, und ich konnte nicht einmal sagen, welcher der Bäume ihrer war.
    Einen Augenblick lang fragte ich mich, ob ich mir das alles nur eingebildet hatte, doch als ich auf meine Füße hinabschaute, sah ich vier Dinge: die drei Knochen, die im Mondlicht schimmerten, und das Buch. Ich hob sie auf und rannte durch die Bäume, weil ich den Drang verspürte, diesen Wald so schnell wie möglich zu verlassen. Hastig warf ich einen Blick über die Schulter, um nach dem Mond zu sehen. Die Jägerin brauste im Nachtwind dahin, und in wenigen Tagen würde die Wilde Jagd durch die Nacht reiten. Bei dem Schlamassel, der sich da über uns zusammenbraute, konnte ich es mir nicht leisten, von der Jagd mitgerissen zu werden, doch wenn die Mondmutter rief, gehorchte ich.
    Als ich mein Auto erreichte, warf ich einen raschen Blick zurück zum Wald. Einen Moment lang starrten hundert rote Augen aus der Dunkelheit in meine Richtung. Ich brauchte keine deutlichere Aufforderung, um mich sofort hinters Lenkrad zu setzen und zurück zur Straße zu holpern. Auf dem Heimweg fragte ich mich, wo in allen Welten ich einen Dämon auftreiben sollte, der bereit wäre, sich von seinem Zeigefinger zu trennen. Denn ich war todsicher nicht bereit, einen von meinen herzugeben. Als ich die Haustür hinter mir zuzog, war die Nacht fast vorüber. Ich schlich ins Wohnzimmer und erschreckte Delilah. Menolly saß

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