Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
herrührten. Irgendetwas stimmte nicht.
»Spürst du etwas Seltsames?«, fragte ich.
»Wie meinst du das?«
»Na ja, Energien... Gerüche... Irgendetwas stimmt nicht, und ich weiß nicht genau, was.«
Delilah schnupperte gründlich. Sie schloss einen Moment lang die Augen und legte dann den Kopf schief. Ihre Schultern versteiften sich, und sie rannte zur Tür und rüttelte am Türknauf. »Wir sind eingeschlossen«, flüsterte sie. »Was ist hier los?«
»Ich weiß es nicht, aber das gefällt mir gar nicht.«
Ich streckte meine geistigen Fühler aus, um mehr in Erfahrung zu bringen. Ich atmete tief ein, ließ die Luft beruhigend meine Lunge füllen, doch der Lärm von berstendem Glas schreckte mich auf. Ein gedämpfter Schrei drang aus dem Laden zu uns.
»Das war Rina!« Ich sprang auf und blickte mich verzweifelt nach etwas um, womit ich die Tür aufbrechen konnte. »Wir müssen hier raus!«
Delilah bedeutete mir, ich solle zurücktreten. Sie starrte einen Moment lang die Tür an, berechnete die erforderliche Kraft, zielte dann und ließ ihren Fuß vorschnellen. Der Absatz ihres Plateaustiefels traf den Türknauf genau im richtigen Winkel, der Rahmen splitterte, und der Türknauf wurde aus dem Holz gesprengt. Zu Hause in der Anderwelt hatte sie die beste Ausbildung erhalten – ein paar Jahre Training bei einem Meister der Kampfkunst. Delilahs Können entsprach ungefähr dem schwarzen Gürtel in Karate.
Wir rannten den Flur entlang in den Laden. Rina lag quer über den Ladentisch hingestreckt, ausgesprochen tot. Blutspritzer führten vom Tisch mitten durch den Raum, und ich blieb stehen und schnupperte. Der metallische Geruch von Blut erfüllte die Luft. Und Ozon. Jemand hatte hier vor kurzem einen gewaltigen Haufen Magie gewirkt. Ich blickte auf meine Füße hinab und sah eine einzelne, gelb-braune Feder am Boden liegen. Als ich mich danach bückte, fauchte Delilah und wich zurück.
»Dämon. Die stammt von einem Dämon«, sagte sie. »Das spüre ich bis hierher.«
»Das ist diese verfluchte Harpyie.« Ich drehte die Feder in meiner Hand herum. Sie fühlte sich schmierig und schmutzig und absolut eklig an. »Wenn wir dieses Mistvieh finden, stecken wir es auf den Bratspieß und rösten es über Schattenschwinges Feuergrube.«
»Glaubst du, sie hatte es auf dieselben Informationen abgesehen wie wir?«
»Ich weiß es nicht, aber ich rufe sofort Chase an. Das hier müssen wir melden, und wir sollten ihn wohl bitten, eine Leichenzunge zu holen.« Seufzend fischte ich mein Handy aus der Tasche und drückte die Kurzwahlnummer sieben.
Während wir auf Chase warteten, sah ich mir Rinas Leichnam näher an. Noch vor wenigen Minuten war sie eine wunderschöne Frau gewesen, die einst einem König den Kopf verdreht hatte. Jetzt war nicht mehr viel übrig, das man auch nur weitläufig als schön hätte bezeichnen können. Blutlachen breiteten sich auf dem Boden aus, die von mehreren hässlichen Schnittwunden an Körper und Gesicht stammten. Ich wandte hastig die Augen von ihrem Unterleib ab, der ausgeweidet worden war, und zwar so, dass nichts der Phantasie überlassen blieb. An Blut und Eingeweide war ich zwar gewöhnt, aber deshalb musste mir so etwas noch lange nicht gefallen.
Delilah trat zu mir und gab sich Mühe, Rina nicht anzuschauen. Wir wussten, dass wir den Leichnam nicht zudecken durften. Es würden Spuren daran sein, die erst als Beweismittel gesichert werden mussten, und falls wir eine Leichenzunge herbekamen, sollten wir so wenig energetische Abdrücke wie möglich hinterlassen.
»Glaubst du, Bad Ass Luke war hier?«, fragte Delilah.
Ich schüttelte den Kopf. »Ihn kann ich hier nicht riechen, aber ich rieche Vogel .«
Bad Ass Lukes richtiger Name bestand aus achtundzwanzig Buchstaben und war praktisch unaussprechlich. Vater hatte ihn uns genannt, aber Lucianopoloneelisunekonekari war einfach zu viel auf einmal im Mund, deshalb hatte er ihn zu Luke verkürzt. Den Zusatz Bad Ass hatte sich der Dämon durch seinen wohlverdienten Ruf als richtig übler Bursche erworben.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das ist das Werk der Harpyie.« Ich befühlte die Feder. »Die Farbe passt zu der Beschreibung, und Rinas zerfetztes Fleisch – Klauen, ganz eindeutig.«
Delilah verzog das Gesicht. »Dreckige, widerliche Biester. Wie zum Teufel sind die überhaupt durchs Portal gekommen? Jocko ist während seiner Wache nie unaufmerksam.«
»Die Antwort darauf würde leider zu Chases Verdacht passen, dass ein
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