Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
Insider dahintersteckt«, sagte ich. In diesem Moment ging die Ladentür auf. Wenn man vom Teufel spricht – Chase lugte durch den Türspalt. Ich winkte ihn herbei, und er näherte sich vorsichtig Rinas Leichnam, einen gequälten Ausdruck auf dem Gesicht. Manchmal vergaß ich, dass VBM weniger robuste Mägen haben als wir.
»Herrgott, was ist denn hier passiert?« Er holte kopfschüttelnd sein Notizbuch hervor. »Sie sieht aus wie eine Statistin in einem schlechten Horrorfilm.«
»Ich glaube, das hier stammt von dem Angreifer.« Ich reichte ihm die Feder. »Harpyie, nehme ich an, aber wir brauchen einen Nekromanten, um ganz sicherzugehen. Eine Leichenzunge, genauer gesagt.«
Mit spitzen Fingern nahm er die Feder entgegen und blickte dann zu mir auf. »Wo warst du zu dem Zeitpunkt?«
Ich verzog das Gesicht. »Delilah und ich waren im Hinterzimmer eingesperrt. Rina hatte uns gebeten, dort auf sie zu warten, und irgendjemand hat uns eingeschlossen.«
»Ihr habt euch im Hinterzimmer einsperren lassen? Was für Agentinnen seid ihr eigentlich?« Er unterdrückte ein höhnisches Schnauben.
»Mal langsam, mein Bester. Was glaubst du, warum sie uns überhaupt in die Erdwelt-Pampa geschickt haben? Außerdem könntest du wirklich etwas pietätvoller sein. Die Frau ist tot, und sie ist nicht gerade sanft aus dem Leben geschieden.« Ich seufzte und kratzte mich am Ohr. Meine Ohrringe waren angeblich aus Silber, aber ich hatte das Gefühl, dass sie doch nur versilbert waren. »Wir wollten ihr ein paar Fragen stellen, aber das hat sich jetzt wohl erledigt. Harpyien kommen aus den Unterirdischen Reichen, Chase. Sie sind Dämonen.« Ich trat beiseite, um ihn näher an den Leichnam heranzulassen.
»Scheiße«, brummte er. »Dann hattest du also recht. Es ist tatsächlich ein Dämon durchgebrochen. Das ist nicht zufällig dieser Schattenschwinge, von dem ihr gesprochen habt, oder?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Neben Schattenschwinge sähe eine Harpyie aus wie ein Kuscheltier. Im Moment wissen wir von drei Dämonen, die erdseits Amok laufen. Sie sind Kundschafter. Wir glauben, dass du recht hattest – ein Insider muss ihnen geholfen haben, sich durch die Portale zu schmuggeln. Jemand, der außerdem weiß, wie man die Tore zur Unterwelt öffnet. Womöglich ein gut getarnter Dämon oder jemand aus dem Feenreich, der mit ihnen im Bunde steht. In jedem Fall sind das üble Neuigkeiten.«
»Da wir gerade von Neuigkeiten sprechen«, sagte er und holte sein Handy aus der Tasche, »ich habe heute Nachricht vom Hauptquartier erhalten. Menolly soll die Bar übernehmen. Sie wird offiziell auf ihren Namen überschrieben. In den Augen der Erdwelt-Behörden ist sie somit die neue Eigentümerin des Wayfarer.«
»Na, das ist ja mal was anderes.« Ich runzelte die Stirn. »Nicht zwingend gut, aber eine Abwechslung. Das könnte sie auch zur Zielscheibe ersten Ranges machen. Und du sagst, das Hauptquartier hat das angeordnet?«
»Die Anweisung lag auf meinem Schreibtisch, als ich heute Morgen zur Arbeit kam. Ach, und da ist noch etwas, wovon du wissen solltest. Der Mord an Jocko ist doch an die Presse durchgesickert. Die Aufrechte-Bürger-Patrouille wird einen Protestmarsch durch die Stadt veranstalten.«
»Marschieren die zufällig auch am Indigo Crescent vorbei?«, fragte ich.
Er nickte. »Ja, und an jedem anderen von Feen geleiteten Geschäft, von dem sie wissen. Völlig gleichgültig, ob du ein Halbblut bist oder nicht, sie halten dich für gefährlich. Die Polizei wird versuchen, die Demonstration einzugrenzen, aber du weißt ja, freie Meinungsäußerung und der ganze Quatsch.«
Ich runzelte die Stirn. Ein juristischer Maulkorb wäre manchmal eine schöne Alternative gewesen, um ein paar der lauteren Radikalengruppen in den Griff zu kriegen. Die Spinner von der Bürgerpatrouille glaubten, dass wir die Menschen in die Arme des Teufels lockten. Sie würden ein ganz anderes Lied singen, wenn Schattenschwinges Truppen erst über diese Welt herfielen und alles vernichteten, was ihnen zufällig begegnete. Dann würde die Bürgerpatrouille auf den Knien bei uns angekrochen kommen und uns um Hilfe anflehen.
Chase stand immer noch neben mir und wählte mit seinem Handy eine Nummer. »Was hast du gesagt, was wir brauchen – eine Leichenzunge?«, flüsterte er mir zu.
Ich nickte. »Vergewissere dich aber, dass sie wirklich Nekromantin ist, sonst schicken sie uns am Ende jemanden, der gar nicht qualifiziert ist. Und wir müssen sie hier
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