Schwestern Des Mondes 03 - Die Vampirin-09.06.13
auf Erins andere Seite. »Du kannst sie retten, Menolly. Du musst es tun – sie wollte nicht sterben. Sie will nicht sterben.«
Und während ich meine Schwestern anstarrte, begriff ich, was sie von mir verlangten. »Was? Das kann nicht euer Ernst sein! Wollt ihr damit sagen, dass ich sie verwandeln soll?« Ich sprang auf und zog mich an Roz’ Seite zurück. »Ich kann nicht glauben, dass ihr etwas von mir verlangt, das ich derart abscheulich finde.«
Camille bettete Erins Kopf sacht in Delilahs Schoß. Dann stand sie mit blitzenden Augen auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Was dir geschehen ist, war etwas völlig anderes. Du wurdest gefoltert, mit jeder widerlichen, grausamen Methode, die Dredge nur eingefallen ist. Erin wurde als Futterstation missbraucht, aber sie trägt keine Narben. Und sie hat nichts dazu getan, in diese Lage zu geraten. Verstehst du denn nicht? Sie wird sterben, wenn du nicht sofort etwas unternimmst.«
Ich starrte auf Erins leblose Gestalt hinab. »Leute sterben nun mal, Camille. Menschen leben, und sie sterben. Das ist der Lauf der Welt.«
»Aber es muss nicht so sein«, meldete Delilah sich zu Wort. »Sie muss nicht so werden wie diese Neulinge. Sieh dir Wade und Sassy an – schau dich selbst an! Ihr seid anders. Ihr habt euch dafür entschieden, anders zu sein. Und du kannst Erin von Anfang an helfen.«
»Weißt du noch, was Großmutter Kojote gesagt hat?« Camille legte den Kopf schief. »Weißt du noch, was sie bei der Versammlung gesagt hat? Du wirst etwas tun müssen, das du nicht tun willst. Aber ich werde wissen, dass es richtig ist. Das hier ist es. Erin in einen Vampir zu verwandeln, ist das einzig Richtige.«
Verzweifelt suchte ich bei Morio nach Unterstützung. »Sag ihr, dass sie sich irrt. Das ist keine Intuition, nur ihr Wunsch, Erin am Leben zu erhalten.«
Morio schüttelte den Kopf. »Wenn Großmutter Kojote das so vorhergesagt hat, dann muss ich Camille recht geben. Großmutter Kojote sagt nie etwas, das sie nicht ernst meint.«
Camille riss mich herum und ignorierte mein erschrockenes Fauchen. »Vertrau mir. Erin hat in der Zukunft noch eine wichtige Rolle zu spielen. Du musst dafür sorgen, dass sie ihre Aufgabe erfüllen kann. Verwandle sie endlich, verdammt! Es braucht dir nicht zu gefallen, du brauchst nicht einmal damit einverstanden zu sein, aber du musst es tun .«
Sie trat so heftig auf, dass ich beinahe Angst vor ihr bekam. Ich rang mit meinem Gewissen. Was hatte Großmutter Kojote genau gesagt ? »Menolly, du wirst etwas tun müssen, von dem du geschworen hast, dass du es niemals tun würdest. Du wirst wissen, was das ist, wenn die Zeit gekommen ist, und du wirst dich dagegen sperren. Aber du musst es tun, ganz gleich, wie sehr du den Gedanken verabscheust. Eine lange Schicksalskette hängt an deiner Tat... oder deiner Untätigkeit. Enttäusche mich nicht. Wenn du davor zurückscheust, bringst du ein wichtiges Kräfteverhältnis aus dem Gleichgewicht.«
War es das hier? Meinte sie damit tatsächlich, dass ich Erin in der Welt der Untoten wiederauferstehen lassen sollte?
Ich stand ganz still da und schaute in mich hinein, tief in mein Herz, in meine Seele. An dem Tag, als ich aus meinem Wahnsinn zurückgekehrt war, hatte ich geschworen, niemals einen Vampir zu erschaffen, niemals die Horden der Dämonen zu vergrößern, die gegen ihren Willen, als Opfer, erweckt wurden.
Aber... wenn Großmutter Kojote recht hatte – wenn Camille und Delilah recht hatten – hatte das Schicksal Erin dann für die Verwandlung auserwählt? Und wenn sie schon von irgendjemandem erweckt werden musste, wer wäre dann besser geeignet als ich? Ich konnte ihr all das geben, was kaum ein anderer Meister ihr mitgeben würde: Rat und Führung, ein Gewissen, Fürsorge. Ich konnte ihr den Übergang in ihr neues Dasein erleichtern, den Schock abmildern, der mit der Verwandlung einherging. War das der richtige Weg?
»Beeil dich – sie ist schon fast tot«, drängte Delilah.
Camille sprang auf mich zu und packte mich am Handgelenk. »Tu es, und zwar sofort, oder ich schwöre, ich werde die Mondmutter auf dich hetzen, Menolly. Glaub mir – ich sage das nicht nur aus Freundschaft zu Erin und weil ich sie nicht verlieren will. Ich weiß , dass Erin weiterleben muss, und das ist die einzige Möglichkeit!«
Delilah stieß ein Fiepsen aus, und ich sah, wie sie sich zu verwandeln begann. Wütend und verängstigt zugleich rief ich: »Scheiße! Delilah, halt durch, Baby. O
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