Schwestern des Mondes 04 - Hexenküsse-09.06.13
Gebäude, wo am Waldrand ein kleines, bescheidenes Häuschen stand.
Mis-Mis hob die Hand. »Warte hier.« Sie betrat die Hütte und ließ mich allein draußen stehen.
Ich blickte zum Mond auf. »Lass mich nicht im Stich«, flüsterte ich der glänzenden Scheibe zu. »Weise mich nicht ab. Bitte.« Mein ganzes Leben hatte sich um zwei Dinge gedreht: mich als Hexe der Mondmutter zu weihen und mich seit dem Tod unserer Mutter um meine Schwestern zu kümmern. In der zweiten Aufgabe schlug ich mich ganz gut, aber in der ersten war ich nicht gerade spitze. Selbst wenn ich es schaffte, mich der Mondmutter zu verpflichten, würde ich es wohl nie zur Priesterin schaffen.
Gleich darauf erschien Mis-Mis wieder vor der Hütte. Teribeka folgte ihr nach draußen. Sie war eine der ältesten Priesterinnen der Mondmutter und eine der mächtigsten. Doch als Anwärterin auf das Amt der Hohepriesterin war sie stets über-gangen worden, und niemand wusste, warum.
»Wie ich höre, ist es dir bestimmt, den Hain aufzusuchen«, sagte Teribeka zu mir und gab Mis-Mis einen Wink, die abrupt den Weg einschlug, den wir gekommen waren.
Ich schluckte. Verdammt, wenn Lyra nur nachgegeben und Nigel zugestimmt hätte, dann würde ich jetzt meinen Eid ablegen und meine erste Nacht mit der Wilden Jagd verbringen.
»Ja«, antwortete ich, plötzlich nervös. Von dieser Nacht hing so viel ab.
Doch zu meiner Überraschung lächelte die alte Hexe nur. »Dann sollten wir uns beeilen, Mädchen. Wir dürfen die Hohepriesterin nicht warten lassen.«
Die Hohepriesterin der Mondmutter hatte keine anderen Interessen, keine andere Aufgabe, als dem Willen der Herrin zu dienen. Ihr Treueid galt allein der Mondgöttin, der sie ihr Leben und ihren Tod geweiht hatte. Sie war das Tor zur Göttin.
Während Teribeka mich für unseren Weg vorbereitete, betrachtete ich die dichtgedrängten Sterne über mir, die ihr glitzerndes Licht herabregnen ließen. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen und starrte die uralte Scheibe dort oben an, während Teribeka einen gravierten Gürtel um meine Taille befestigte und mir dann die Hände mit silbernen Schellen und Ketten hinter dem Rücken fesselte.
Sie warf einen Blick zum Himmel. »Auch ich spüre ihren Sog«, sagte sie nur, doch ihre Worte beruhigten mich. Ich warf ihr ein vorsichtiges Lächeln zu, und wir machten uns auf den Weg in den Wald. Wir folgten einem Pfad zwischen den Bäumen hindurch. Die Nachtluft war erfüllt von Vogelstimmen und dem leisen Rascheln der Wildkatzen auf ihrer Jagd.
Als wir den Eingang zum Hain erreichten, blieb Teribeka stehen. »Ich kann nicht weitergehen, Kind. Diese Reise kann nur eine machen, du musst Derisas Garten allein betreten.«
Sie zögerte und legte mir dann sanft die Hand auf den Arm. »Überlege es dir gut, ehe du den Fuß auf diesen Pfad setzt. Wenn die Hohepriesterin Derisa einverstanden ist und du noch heute Nacht vor der Göttin niederkniest, wird dein Leben nie wieder dir selbst gehören. Dein Herz und deine Seele werden unwiderruflich an die Mondmutter gebunden sein.«
Ich blickte zu der silbrigen Scheibe auf und lauschte dem Atem des Waldes. Meine Brust hob sich im Rhythmus des Waldlandes um mich her.
»Ich habe keine andere Wahl«, sagte ich. »Mutter Mond ruft seit meiner Geburt nach mir. Es gibt für mich keinen anderen Weg.« Ich ließ die Silberketten an meinen Handgelenken klimpern. »Ihre Fesseln sind viel schwerer und stärker, als Eure es je sein könnten.«
Teribeka nickte. »Überlege dir jedes Wort, ehe du sprichst. Der Tod ist nicht so schrecklich wie der Zorn der Götter. Die Hohepriesterin hält das Licht der Herrin in Händen, und sowohl sie als auch die Mondmutter ahnden Dummheit mit einem schnellen, aber schmerzhaften Tod. Mutter Mond beherrscht nicht nur die Nacht, sie ist auch die Essenz des Waldes. Sie ist die Lichte Mutter der funkelnden Magie und die Dunkle Jägerin, die ihr Rudel anführt. Sie wird dich verschlingen, falls du straucheln solltest.«
Ich zwang meine Füße vorwärts. Die Zweige und vermodernden Blätter hielten mich an den Knöcheln zurück, als wollten sie mir zurufen: Halt, geh nicht! Aber ich trat sie mir aus dem Weg. Als ich die Baumreihe erreichte, die den Eingang zum Hain markierte, erkannte ich Eiche und Weide - Kraft und Intuition.
Ich schob mich durch die Zweige und hielt inne, um die Stirn an einen knorrigen Stamm zu lehnen. Die uralten Wächter des Hains waren so groß, ihre Stämme so mächtig, dass in ihren
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