Schwestern des Mondes 04 - Hexenküsse-09.06.13
aus eigenem Wunsch und Willen in den Dienst der Mondmutter als eine ihrer Hexen und schwörst ihr die Treue vor allem anderen, was dir heilig ist, auch vor dem eigenen Leben?«
Mein Herz begann zu pochen. Dies war der Augenblick: Ich würde mich durch den Eid an die Mondmutter binden, und alles in meinem Leben würde klar und einfach sein. Nichts würde mir je wieder Kummer bereiten, solange ich die Jägerin der Nacht in meinem Herzen festhielt.
»Ja, o ja, ich schwöre meinen Eid.«
»Camille Sepharial te Maria, nimmst du das Joch der Hexe an in dem Wissen, dass du womöglich niemals die Gewänder einer Priesterin tragen wirst, dass du niemals frei sein wirst, dich einer anderen Göttin hinzugeben, dass dein Geist für immer gebunden sein wird und keinen anderen Göttern huldigen kann als der Mondmutter, solange du in diesem Körper auf der Welt weilst?«
Ich konnte kaum mehr atmen. Derisas Stimme drang wie aus weiter Ferne zu mir, und ich erhob mich aus meinem Körper, während mein Herz wie das Echo Tausender Stakkato schlagender Trommeln pochte.
»Darauf schwöre ich meinen Eid.«
Dann kamen die Fragen rasch nacheinander, so schnell, dass ich kaum denken konnte.
Camille Sepharial te Maria, wirst du für die Mondmutter leben ...
Darauf schwöre ich ...
Wirst du für die Mondmutter heilen ...
Darauf schwöre ich ...
Wirst du für die Mondmutter töten ...
Darauf schwöre ich ...
Wirst du für die Mondmutter sterben ...
»Darauf schwöre ich meinen Eid.« Die Böen wurden kalt und scharf, und die Hohepriesterin schob mir das Gewand von der Schulter. Es fiel herab und entblößte meine Brust, und sie trat hinter mich, strich mir das Haar auf die rechte Seite und presste die Handfläche auf mein linkes Schulterblatt.
Ein Blitzstrahl fuhr vom sternenhellen Himmel herab in Derisa hinein, zuckte durch ihren Arm und ihre Hand und brannte sich in meinen Rücken. Der Schock, die Kälte wie in Hels gefrorenen Reichen, drohte mich zu verzehren. Ich biss die Zähne zusammen und unterdrückte einen Aufschrei, zitternd vor Schmerz. Die Energie besaß ein eigenes Bewusstsein, sie bewegte sich, als bissen eisige Zähne eine dünne Spur durch mein Fleisch. Sie füllte die neue, blutige Vertiefung an meinem Schulterblatt mit flüssigem Silber, bis eine Tätowierung in Form eines Labyrinths entstanden war.
Ich rang nach Atem, hielt aber aus, bis das Mal fertig war. Derisa zog mich in ihre Arme und küsste mich auf den Mund. Ihre Zunge suchte nach meiner und hieß mich leidenschaftlich willkommen, die Schellen und Ketten fielen von meinen Händen, und der Gürtel landete auf dem Boden. Mit einer einzigen Bewegung zog die Hohepriesterin mir das Gewand aus, so dass ich nackt und zitternd im Mondlicht stand.
Ich schnappte nach Luft, streckte die Arme aus und spürte das kalte Licht meiner Herrin, das sich in mich ergoss, meine Adern füllte und wie zäher Honig durch meinen ganzen Körper floss. Ein Lachen hallte durch den Hain, und mir wurde schwindelig vor Kraft, als die Mondmutter mich verführte. Derisa zog mich an sich und küsste mich erneut, langsam, gemächlich, und ließ die Hände über meinen Körper gleiten.
»Willkommen, jüngste Tochter des Mondes«, flüsterte sie.
Mir stockte der Atem, als mir vollkommen klar wurde: Ich hatte mich für immer der Herrin verpflichtet. Ihr Wille war der meine. »Ich gehöre ihr ...«, sagte ich, und die jubelnde Freude war mir deutlich anzuhören.
Derisa lächelte mich wild an, und ihre Augen blitzten schalkhaft fröhlich. Ich sagte nichts mehr. Was hätte ich auch sagen können? Meine Welt hatte sich für immer verändert, und ich konnte nur den Kopf in den Nacken legen und zum Himmel hinaufblicken, geborgen in der Umarmung der Hohepriesterin.
Und dann begann ein schwacher Laut in meinem Hinterkopf widerzuhallen. Die Mondmutter flüsterte mir etwas zu.
Das Flüstern wurde zu einem tosenden Tumult, einer Kakophonie aus Gedichten und Liedern. Ich spürte, wie ich am Rand des Chaos schwankte. Sie rief nach mir. Rief mich in die Wälder, wo ich mit ihr laufen sollte. In die Wälder, auf die Jagd, mit dem wilden Rudel über den Himmel rasen. Ich konnte sie sehen: Hunde und Hasen, Bären und Panther, längst verstorbene Krieger und Jäger und wilde Hexen, die der Herrin der Nacht schon vor Äonen ihren Eid geschworen hatten. Und an ihrer Spitze führte die Mondmutter selbst die Wilde Jagd, eine Silhouette aus glühendem Silber mit dem Bogen über einer Schulter, die wüst
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