Schwestern des Mondes 04 - Hexenküsse-09.06.13
Benjamin, scheint es ihnen doch gutzutun. Dass nur jemand da ist, der sich um sie kümmert, wissen Sie?«
Als ich auflegte, kam ich mir vor wie eine miese Ratte. Andererseits wollte Benjamin ja möglichst wenig menschliche Gesellschaft. Ob ich nun seine Cousine war oder eine Wildfremde, würde ihm vermutlich gleichgültig sein. Und vielleicht, nur vielleicht, konnte ich ihm ja ein bisschen helfen. Ich schob den Stuhl zurück und stand auf.
Delilah warf mir einen Blick zu. Sie hatte es geschafft, den Laufstall für Mistelzweig auszupolstern, der mit kläglicher Miene auf der Matratze lag. Stöhnend rieb er sich den Bauch.
»Ich muss los. Sonst explodiert Smoky noch. Außerdem wüsste ich ja selbst gern, was Morgana da draußen treibt.« Ich holte tief Luft. »Es sollte eigentlich keine Probleme geben, aber ... nur für den Fall, dass ...«
»Soll ich mitfahren?«, erbot sie sich sofort. »Du kannst die Abmachung auch brechen.
Wir finden schon eine andere Möglichkeit, unsere Schuld bei ihm zu begleichen.«
Sie nahm mich in den Arm, und der schwarze Halbmond, der auf ihre Stirn tätowiert war, pulsierte in einem schnellen Rhythmus.
Ich starrte das Mal an. Als wir auf ihren Vorschlag hin den Herbstkönig um Hilfe ersucht hatten, war ihr eine furchtbare Last aufgebürdet worden, und sie beklagte sich fast nie. Delilah war an den Elementarfürsten gebunden, als eine seiner Todesmaiden, doch sie fand sich damit ab, so gut sie konnte.
Der Herbstkönig hatte ihr keine Wahl gelassen. Smoky hatte mir immerhin den Preis genannt. Wenn ich eine Woche mit ihm verbrachte, würde er uns helfen, mit dem Herbstkönig in Kontakt zu treten. Eine Woche erotischer Genüsse, verglichen mit einem ganzen Leben furchterregender Verpflichtungen gegenüber einem Elementarfürsten? Ich hatte wirklich kein Recht, mich zu beklagen.
Ich räusperte mich. »Wird schon gut gehen. Eigentlich freue ich mich sogar darauf.«
Das stimmte. Fast. Ja, ich hatte Angst, und ja, Smoky würde mein Leben vermutlich gewaltig durcheinanderwirbeln. Aber wer hatte in den vergangenen sechs Monaten eigentlich keinen Eimer Chaos in unser Leben gekippt? Da war mir doch dieser große, coole Cocktail aus Mensch und Drache noch am liebsten.
»Morgen bin ich wieder zu Hause«, sagte ich zu ihr. »Dann sprechen wir darüber, was du und Morio bis dahin festgestellt habt und was ich über Morgana herausfinden konnte.«
Sie lächelte mir ein wenig schief zu und zog mich noch einmal an sich. Während mein Kopf unter ihrem Kinn ruhte - mit über einsachtzig war sie gut fünfzehn Zentimeter größer als ich -, schloss ich die Augen. Es fühlte sich beinahe so an, als hielte Mutter mich fest im Arm, für immer sicher und geborgen. Delilah ließ mich widerstrebend los, und ich trat zurück.
»Viel Spaß.« Sie zwinkerte mir zu. »Smoky mag dich. Er wird dir nicht weh tun. Und wenn doch ... nehmen wir uns ihn vor.«
Über diese Vorstellung musste ich lachen. Ich ging von der Küche ins Wohnzimmer, wo Morio gerade Smoky einen kleinen Beutel reichte.
»Wie ich sehe, konntest du die Finger schon wieder nicht von meinen Sachen lassen«, sagte ich und streckte ihm die Zunge heraus.
»Ich habe meine Finger gern an deinen ... Sachen«, erwiderte Morio mit hochgezogenen Augenbrauen. Er küsste mich lang und genüsslich auf den Mund. So ganz anders als Trillian. Betörend statt fordernd. Trillian überwältigte, eroberte, rannte Tore ein, während Morio seine Eroberung dazu brachte, ihm ohne die geringste Reue einfach den Schlüssel auszuhändigen. Trillian war ein Alpha. Morio stand außerhalb dieses ganzen Testosteron-Wettbewerbs und wartete ruhig einen günstigen Zeitpunkt ab.
Ich wäre gern noch länger in seinen Armen geblieben, doch er zwickte mich spielerisch in den Po. »Sieh zu, dass du wegkommst«, sagte er und beugte sich dann dicht an mein Ohr heran. »Ich werde heute Nacht da draußen sein und auf dich aufpassen.« Ohne ein weiteres Wort trat er zurück und wies mit großer Geste auf mich. »Sie gehört dir, Smoky. Geh achtsam mit ihr um.«
Smoky stieß genervt den Atem aus. »Ich hatte nie etwas anderes vor«, erwiderte er und wandte sich der Tür zu.
Ich eilte zu Feddrah-Dahns hinüber. »Bleibt doch noch bis morgen. Ihr wollt doch gewiss hören, was Morgana im Schilde führt.«
»Lasst sie nur nicht an dieses Horn heran«, warnte er. »Das Horn darf keinesfalls in die falschen Hände geraten.«
Als könnte Morgana einem Blitz von ein paar Millionen Ampere
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