Schwestern des Mondes 04 - Hexenküsse-09.06.13
Handbewegung machte und etwas murmelte, das ich nicht verstand. Das Portal öffnete sich. Ein Zauber, dachte ich, mit dem man die Banne aufhebt. Natürlich hatte er ihn so leise gemurmelt, dass ich die Worte nicht hören konnte.
Als ich durch das Portal treten wollte, hielt er mich auf, führte meine Hand an die Lippen und küsste sie.
»Camille - noch eine Warnung. Denk nicht einmal daran, heute Abend nach Hause zu gehen. Wenn es einen Notfall geben sollte, bringe ich dich hin. Aber ansonsten wäre es besser für dich, dir das ganz aus dem Kopf zu schlagen. Hast du verstanden?«
Ich begegnete seinem Blick, und die Tragweite unseres Vertrags traf mich mit voller Wucht. Ich hatte ihm eine Woche meines Leben gegeben. Dies war die erste Nacht.
Ich schuldete ihm Gehorsam.
»Ich verstehe«, sagte ich und fragte mich, worauf ich mich mit diesem kleinen Abenteuer nur eingelassen hatte.
Die Wälder um Smokys Hügel waren mit seinen Bannen und Flüchen durchsetzt.
Hohe Wächter ragten in den Himmel auf, Tanne und Zeder, Ahorn und Birke. Sie standen in frischem Saft; die immergrünen Bäume trugen hellgrüne Nadeln, die sich im Lauf des Sommers dunkel färben würden. Die Blattknospen an den Zweigen der Laubbäume würden sich bald zu üppigem, frischem Grün entfalten.
Während ich mich auf den Weg machte, breitete die Abenddämmerung ihre schwarzen Finger über den Himmel aus. Ich erschauerte. In der Stadt zu leben - selbst auf einem so großen Grundstück wie unserem - stumpfte die Sinne ebenfalls ab. Hier draußen war das Land noch wild, und es hieß Eindringlinge nicht eben willkommen.
Ich verschränkte im Gehen die Arme vor der Brust, eher um meine Nerven zu beruhigen als um mich vor der abendlichen Kühle zu schützen. Der Umhang hielt mich wunderbar warm.
Ein Geräusch von links erschreckte mich, und ich warf einen Blick zur Seite. Da stand ein Elch, ein Bulle - eine erhabene Silhouette. Als ich an ihm vorbeiging, neigte er den Kopf, und ich bemerkte, dass er nur eine Geweihschaufel trug. Die andere hatte er um diese Jahreszeit schon abgeworfen, vermutete ich. Ich erwiderte den Gruß, indem ich ebenfalls den Kopf neigte. Wir erkannten einander; er wusste, dass ich nicht ganz menschlich war, und ich wusste, dass er zu den Wächtern des Waldes gehörte.
Die Abenddämmerung senkte sich rasch über das Land, und die Bäume begannen zu leuchten, von einem schwachen Schimmer umgeben. Meist war ihre Aura grün, was auf gesundes Wachstum hindeutete. Hier und da erhaschte ich einen Blick auf eine rote Aura - das Kennzeichen eines sterbenden Baums. Und ganz selten sah ich eine goldene Korona. In diesen Bäumen wohnten Baumdevas, und die Pflanzen besaßen ein ebenso großes Bewusstsein ihrer selbst und der Welt um sich herum wie ich auch.
Die ersten Sterne blinkten in der zunehmenden Dunkelheit, und nun meinte ich, Musik zu hören: ein rhythmisches Trommeln, eine Laute oder Zither und eine Flöte. Was zum ... Ich folgte einer Biegung im Pfad, der beinahe von Heidelbeeren und Farnen überwuchert wurde, und stand vor einer riesigen Zeder. Das musste der Baum sein, von dem Smoky mir erzählt hatte. Ich wandte mich dem noch schmaleren Pfad nach links zu, und nun konnte ich sie spüren. Morgana war ganz in der Nähe. Der Geruch nach Herbstfeuern, die Rufe von Krähen, das Gefühl von Mondmagie hingen dick in der Luft. Ich beschleunigte meine Schritte und eilte den Pfad entlang.
Er führte auf eine geschützte Lichtung, umgeben von einem Kreis aus Eichen und Ebereschen. In den Bäumen tummelten sich Krähen und Raben. Mitten auf der Lichtung stand eine Stechpalme, und der Boden war mit dichten Flecken weichen Mooses bedeckt.
Und fast in der Mitte der Lichtung sah ich Morgana. Sie saß mit Mordred und Arturo an einem Lagerfeuer. Daneben standen zwei große Zelte und etwas, das aussah wie eine Jurte, nur dass der Rahmen mit Kunststoffplanen bedeckt war statt mit Leder oder Fellen.
Ich betrat die Lichtung und näherte mich langsam dem Feuer. Morgana erhob sich. Sie war zierlich, sogar noch kleiner als Menolly, und sie raubte mir immer noch den Atem, obwohl ich nicht mehr so von der berühmten Fee geblendet war wie bei unserer letzten Begegnung.
Morgana trug ein langes, schwarzes Kleid, ganz ähnlich wie meines, eine silberne Mondsichel um den Hals und eine silberne Tiara, die blinkend den Feuerschein spiegelte. Arturo, ein stattlicher Mann mit ergrautem Haar und einer entrückten Ausstrahlung, stand hastig auf und
Weitere Kostenlose Bücher